Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Brotlose Kunst
Viele Künstler können nicht von ihren Werken leben – Kommunen und Kreise gehören zu den treuesten Kunden
(dpa) - Weltberühmt wie Picasso, genial wie Leonardo: Vermutlich träumen viele Menschen davon, an der Staffelei Karriere zu machen. Das Problem: kaum ein bildender Künstler kann von seiner Arbeit leben.
Vater und Mutter zucken schon mal zusammen, wenn das eigene Kind Künstler werden möchte. Die Skepsis ist nicht unberechtigt. Denn die Mehrheit der Künstler in Deutschland kommt ohne Zweitjob kaum über die Runden. Viele der rund 130 000 Künstler sind daher vor allem auch Lebenskünstler.
„Lediglich eine kleine Minderheit der Künstler kann vom Verkauf ihrer Werke oder von entsprechenden Aufträgen den Lebensunterhalt bestreiten“, sagt Eckhard Priller vom Berliner Maecenata Institut. Der Soziologe und Ökonom hat eine aktuelle Umfrage zur wirtschaftlichen und sozialen Lage bildender Künstler ausgewertet. Das Ergebnis: In den vergangenen 20 Jahren habe sich „sehr wenig getan“, meint Priller. „Ich hätte eine stärkere positive Entwicklung erwartet.“
Woran liegt das? „Die Konkurrenz ist groß“, sagt Malerin Gabi Tausendpfund aus Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. „Viele Künstler sind ganz vorsichtig mit dem, was sie gerade machen.“Auch aus Angst vor Ideenklau. „Es gibt zu viele Künstler, die ausgebildet werden. Der Markt ist einfach nicht da“, ergänzt ihr Braunschweiger Kollege Manfred Fischer. „Der Markt ist voll bis zur Kante.“
Viele Künstler müssten von anderen Dingen leben, erklärt Werner Schaub, Vorsitzender des Bundesverbandes Bildender Künstler (BBK). So wie die Worpsweder Künstlerin Franziska Hofmann: „Ich habe nicht nur einen Job nebenbei, sondern meistens drei oder vier“, sagt die zweifache Mutter.
Das Internet eröffnet Künstlern kaum neue Absatzmärkte. „Fast alle haben inzwischen eine Homepage, aber es kommt nicht so viel rein“, sagt Schaub. „Gute Kunst läuft über die Galerien.“Hofmann bedauert, dass der Marketingaspekt an vielen Hochschulen außen vor bleibe: „Man wird einfach in den Kunstmarkt geworfen.“
Ein eigenes Atelier bleibt für viele Künstler denn auch ein Traum. „Die Mietpreise sind überall recht hoch“, sagt Fischer. Hofmann lebte bis 2015 in Berlin. Dort seien Ateliers Mangelware gewesen. „In Worpswede ist es noch schwerer, es gibt keine bezahlbaren Räume für Künstler. Eigentlich arbeiten alle in den Wohnungen und Privathäusern. Es ist schade, dass da nichts getan wird.“
Laut BBK-Umfrage tut sich die öffentliche Hand schwer mit dem Ankauf von Kunst. „Insgesamt ist festzustellen, dass von Ankäufen der öffentlichen Hand nur ein sehr geringer Anteil der Künstler profitiert“, sagt Priller. „Am häufigsten werden Werke von Kommunen und Kreisen angekauft.“Der Finanzierungsanteil von Bund und Ländern sei hingegen marginal. Auch Banken, Versicherungen und Stiftungen seien zurückhaltender geworden, sagt Fischer.
Fast 64 000 bildende Künstler sind in der Künstlersozialkasse (KSK) versichert. „Die Zahl der Versicherten steigt ständig, der Zulauf zur KSK ist immens“, sagt deren Berater Andreas Kißling. KSK-Versicherte zahlen wie abhängig Beschäftigte nur die Hälfte der Sozial- und Krankenkassenabgaben. Die andere Hälfte speist sich aus der Künstlersozialabgabe und Steuermitteln. Versicherungsvoraussetzung ist ein mit künstlerischer Tätigkeit erwirtschaftetes Jahreseinkommen von mindestens 3900 Euro. Laut KSK liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei männlichen Künstlern bei 18 121 Euro, das der Frauen bei 13 268 Euro.