Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Staatsanwalt warnt vor Verfahrensverschleppung
Nach über 50 Beweisanträgen: Staatsanwalt bezweifelt sachgerechte Aufarbeitung des Falls durch Verteidiger
RAVENSBURG/HERBERTINGEN - Der Prozess wegen versuchten Mordes gegen zwei Männer aus Herbertingen vor der ersten Großen Strafkammes des Landgerichts in Ravensburg droht zu einem juristischen Schattenboxen zu werden. Am Montag kritisierte Staatsanwalt Christian Pfuhl Verteidiger Moritz David Schmitt heftig, als dieser weitere zwölf Beweisanträge vortrug. „Geht es Ihnen wirklich um die sachgerechte Aufarbeitung des Falles?“, fragte er den Verteidiger aus Mainz.
Schmitt hatte in denvergangenen vier Verhandlungstagen über 50 Beweisanträge gestellt, die das Gericht bislang alle abgelehnt hatte, meistens wegen Bedeutungslosigkeit. Die Kammer wollte die Beweisaufnahme bereits am 9. November abschließen und zu den Plädoyers übergehen.
Am Montag vergangener Woche hatte der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer den Verteidiger des 22Jährigen auf eine Frist hingewiesen. Schmitt möge weitere Anträge bis zur Verhandlung am Dienstag vorlegen und erinnerte ihn nochmals an das Beschleunigungsgebot. Obwohl der Anwalt immer wieder betonte, seine Anträge dienten dazu, mehr Licht ins Dunkel des Sachverhalts zu bringen, stößt die Art und Weise, wie Schmitt seine Anträge einbringt zunehmend auf Unverständnis bei der Staatsanwaltschaft. Die Verhandlungs-Atmosphäre ist angespannt. „Sie hatten drei Wochen Zeit, sich auf den nächsten Verhandlungstag vorzubereiten“, sagte Staatsanwalt Christian Pfuhl mit Hinweis auf die Sitzungspause von Weihnachten bis in die erste Januarwoche. Das gehe in Richtung Verfahrensverschleppung. Verteidiger Schmitt pflegt die meisten seiner Beweisanträge in den Pausen an den jeweiligen Verhandlungstagen zu verfassen. Wie Pfuhl erwähnte er Presseartikel über andere Verfahren, in denen Schmitt verteidigt habe. Dort sei er ähnlich vorgegangen, was sich zum Teil für seine Mandanten negativ ausgewirkt habe.
„Inquisitorischer Stil“
Verteidiger Schmitt warf im Gegenzug Staatsanwalt Pfuhl einen „inquisitorischen Stil“vor. Ein Rechtsstreit in seiner Kanzlei habe ihn viel Zeit und Kraft gekostet. Außerdem sei seine Arbeitsbelastung derzeit sehr hoch, sodass er im Rahmen seiner Möglichkeiten den aktuellen Prozess vorbereite. Richter Hutterer wies ihn auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs hin, wonach Rechtsanwälte kein Mandat annehmen dürften, wenn sie überlastet seien. Zur Erinnerung, worum es eigentlich geht: Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, in der Nacht zum 19. März in der Hauptstraße in Herbertingen zwei Männer brutal misshandelt und mit in Socken gepackten, faustgroßen Wackersteinen zum Teil lebensgefährlich verletzt zu haben. Die Aussage eines der Opfer, DNA-Spuren und ein Leichenhund, der eine Blutspur bis zur Wohnung der Angeklagten verfolgte, führten die Polizei zu den 22- und 27-jährigen Männern.
Frist wird verlängert
Der Vorsitzende Richter Hutterer verlängerte die Frist für Beweisanträge bis zum nächsten Verhandlungstag am 26. Januar. Mit diesem zehnten Verhandlungstag könnte die Kammer aus dem Frist-Hinweis einen offiziellen Beschluss machen, der dann zum konkreten Vorwurf der Verfahrensverschleppung führen könnte. Verteidiger Schmitt stellte eine Beschleunigung des Prozesses in Aussicht, sah aber auch die Notwendigkeit, den Beweisstoff weiter zu vertiefen, da die zuständigen Beamten äußerst nachlässig und schlampig ermittelt hätten. Die Hauptverhandlung wird am Donnerstag, 26. Januar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.