Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Deckel geht auf Heynen
Der VfB Friedrichshafen gewinnt in der Champions League beim 1:3 gegen Zenit Kazan einen Satz – der Trainer gibt den Fans 45 Minuten lang Bier aus
- Vital Heynen war vorbereitet. Der Trainer des VfB Friedrichshafen lief zur Häfler Medienchefin Gesa Katz, ließ sich ein Glas mit dem Logo des Biersponsors reichen und reckte dieses, als er zurück zu seinem Stuhl ging, wie eine Trophäe in Richtung der jubelnden Fans. Wenige Momente vorher hatte Heynen selbst vor Freude gebrüllt und seine Spieler, die gerade von einer kurzen Ehrenrunde zurückkehrten, abgeklatscht.
Wohlgemerkt, im Spiel der Volleyball-Champions-League gegen Zenit Kazan war erst der zweite Satz vorbeigegangen. Doch den hatten die Häfler mit 25:23 gewonnen – und ein Satzgewinn gegen Kazan sei für den VfB Friedrichshafen wie ein Sieg. Das hatte Heynen schon am Vortag der Partie der „Schwäbischen Zeitung“erzählt. Darum hatte er auch diese Bierwette verkündet. Ein Satz für die Häfler, ein Bier für jeden Fan, hatte diese gelautet. Und weiter: Zwei Sätze, ein Liter Bier, ein Sieg gegen Kazan, ein Kasten für jeden – und Heynen würde seine Karriere sofort beenden. So schlimm kam es nicht. Friedrichshafen verlor 1:3 (13:25, 25:23, 13:25, 21:25). Und doch war Heynen so stolz auf seine Spieler, dass er seinen Einsatz spontan erhöhte: „Die nächsten 45 Minuten geht jedes bestellte Bier auf mich“, verkündete der Trainer den johlenden Fans, immerhin 2355 an der Zahl. Das erste Bier schenkte er Kazans Trainer Vladimir Alenko. „Wenigs- tens haben wir es geschafft, Vital zahlen zu lassen“, sagte der, angesichts seiner Statur eines russischen Bären, erstaunlich sanftmütig und jo- vial wirkende Trainer Kazans.
Heynen ist sich noch nicht sicher, ob seine Häfler, immerhin derzeit Tabellenführer in der Bundesliga, die besten Volleyballer Deutschlands sind. Dass Kazan, zuletzt zweimal hintereinander Champions-LeagueSieger, die beste Mannschaft der Welt ist, davon ist er aber überzeugt. „Ich habe während meines Videostudiums kein Spiel entdeckt, in dem eine Mannschaft Kazan den zweiten Satz abnehmen konnte. Den dritten vielleicht mal, aber nicht den zweiten. Dass wir das geschafft haben, das ist so – wow! Dass wir dann im vierten auch mitgespielt haben und den vor allem wegen eigener Fehler verloren haben – ich weiß nicht, ob wir gegen so eine Mannschaft besser spielen können“, sagte Heynen.
Dass der Trainer so stolz sein würde am Ende, danach hatte es zunächst freilich überhaupt nicht ausgesehen. Der Punkt zum 1:1 von Mi- chal Finger im ersten Satz war vom Publikum noch frenetisch bejubelt worden. Doch allzu viele Zähler waren danach nicht dazugekommen. Nach nur sieben Minuten stand es 1:9, und Heynen hatte seine Spieler während der Auszeit nur kurz angeschrien, sich danach abgewendet und noch lauter „F…!“gebrüllt.
Es hatte nach der Steigerung einer Lehrstunde ausgesehen, nach einer veritablen Demütigung. Heynen schrie und schrie und schrie in dieser Phase. Und wenn er nicht schrie, schrieb er, mit dem Rücken zum Spielfeld, etwas in eine Kladde. Erst als seine Jungs das 6:12 im ersten Satz machten, wirkte er beim Ballen seiner Faust einigermaßen zufrieden. Tatsächlich: Es wurde doch noch zu einem Volleyballspiel. Was für eins!