Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Augsburg sieht Rot
In der Stadt soll eines der größten Bordelle Süddeutschlands entstehen – Die Verwaltung wehrt sich vor Gericht gegen das Projekt
- Um 11.03 Uhr gehen im Gerichtssaal die Lichter aus. Erstaunt blickt Richterin Judith Müller erst hinauf zu den erloschenen Deckenleuchten und dann hinüber zur Protokollantin, deren Computer laut piepsend den Wechsel in den Akkubetrieb ankündigt. Eine Sitzungspause später steht fest: Der Strom ist im kompletten Gebäude des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ausgefallen. Und so wird die Verhandlung im Halbdunkeln fortgesetzt – was durchaus zum Rechtsstreit zwischen der Stadt Augsburg und Hüseyin A. passt.
Wobei rotes Licht noch treffender gewesen wäre, schließlich ist das Streitobjekt ein geplantes Großbordell, das der 48-jährige Geschäftsmann im Augsburger Stadtteil Lechhausen eröffnen will. Genauer gesagt soll es ein sogenanntes Laufhaus werden, in dem Prostituierte Zimmer anmieten. Die Freier laufen dann durchs Gebäude – daher der Name – und verhandeln auf dem Flur direkt mit den Frauen. Hüseyin A. will sein Laufhaus in einer früheren Lagerhalle im Industriegebiet errichten; mit 47 Zimmern wäre es eines der größten Etablissements in ganz Süddeutschland.
Geschäftsmann bekam recht
Die Stadt aber hat ihm die Genehmigung verweigert und eine Veränderungssperre erlassen, um das Vorhaben zu blockieren. Dagegen klagte Hüseyin A. vor dem Verwaltungsgericht – und bekam recht. Nachdem die Stadt in Berufung gegangen ist, muss nun der Verwaltungsgerichtshof in München entscheiden, ob ein solches Bordell im Industriegebiet zulässig ist und ob die verhängte Veränderungssperre rechtmäßig war.
Für Hüseyin A. steht viel auf dem Spiel: Er sei wegen des Bordells extra nach Augsburg gezogen, sagt er vor der Verhandlung. Überdies habe er viel Geld in das Projekt gesteckt. Sein Anwalt erklärt im Gerichtssaal, dass seinem Mandanten bei einer Niederlage die Privatinsolvenz drohe. Dennoch wartet der kleine Mann mit der schwarzen Lederjacke und der markanten Frisur – die Haare sind abrasiert, nur vom Schopf fällt ein Pferdeschwanz auf den Rücken – zu Beginn der Verhandlung vor der Tür. „Weil er so nervös ist“, erklärt sein Verteidiger. Erst auf Bitten der Richterin betritt er später den Saal. „Sie müssen vor uns keine Angst haben“, begrüßt ihn Judith Müller, „wir sind ganz harmlos“.
In der Folge lauscht Hüseyin A., wie sein Verteidiger und die Rechtsvertreter der Stadt ihre Argumente austauschen. Erst kurz vor Schluss legt der 48-Jährige seine Sicht dar. Er fühle sich als „politisches Wahlopfer“, sagt Hüseyin A. Schließlich habe ihm der städtische Bauausschuss zunächst Zustimmung für das Projekt signalisiert. Als sich dann aber Widerstand in der Bevölkerung regte – unter anderem protestierten Inhaber umliegender Firmen und Mitglieder einer nahen Moschee – habe die Stadt einen Rückzieher gemacht. „Aber das hatte nichts mit Planung zu tun, das lag nur an der Bürgermeisterwahl“, behauptet Hüseyin A.
Das weist der Leiter des Augsburger Stadtplanungsamts zurück. Vielmehr wolle die Kommune durch eine Bebauungsplanänderung samt der Veränderungssperre ein Industriegebiet schützen, wie es sie nicht mehr viele gebe. Ein Bordell dieser Dimension würde dies gefährden. Ohnehin gebe es in Augsburg bereits verhältnismäßig viele dieser Etablissements. „Das ist eine ähnliche Problematik wie mit Spielhallen“, sagt der Amtsleiter. „Das nimmt so massiv zu, dass wir irgendwann sagen müssen: Da ist eine Grenze erreicht.“
Ob der Verwaltungsgerichtshof dieser Argumentation folgen und das Urteil aus erster Instanz kippen wird, ist offen. Laut Richterin Judith Müller soll binnen 14 Tagen ein Urteil verkündet werden.