Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alter schützt vor Schweben nicht
Roger Federer zieht ins Endspiel der Australian Open ein – Bei den Frauen ein Williams-Finale
(SID/dpa) - Mirka Federer lief in ihrem pinkfarbenen Pulli mit Tigerkopf aufgeregt umher und rief durch die Katakomben der RodLaver-Arena: „Im fünften Satz habe ich nur noch gebetet.“Kurz zuvor hatte ihr Ehemann Roger nach einem Wechselbad der Gefühle zum sechsten Mal das Finale der Australian Open erreicht. Damit ist der Schweizer Tennis-„Maestro“nur noch einen Sieg von seinem 18. Grand-SlamTitel entfernt.
Und das nach seiner Leidenszeit 2016, als der in Melbourne nur an Position 17 gesetzte Federer die komplette zweite Saisonhälfte wegen einer Knieoperation verpasst hatte. „Ich hätte in meinen wildesten Träumen nicht daran gedacht, dass ich so schnell nach meiner Verletzungspause wieder hier stehe“, sagte Federer nach dem 7:5, 6:3, 1:6, 4:6, 6:3 in 3:05 Stunden gegen seinen Landsmann Stan Wawrinka (Nr. 4). Der schwärmte danach: „Roger schwebt über den Platz. Er ist der beste Spieler aller Zeiten.“
Retro-Finale gegen Nadal?
Damit steht ein Traum-Endspiel zwischen den Fan-Lieblingen Federer und Rafael Nadal (Nr. 9) unmittelbar bevor. Der Spanier ist heute im zweiten Halbfinale gegen den an Position 15 gesetzten Bulgaren Grigor Dimitrow Favorit. Federer gegen Nadal – der eine mit 35 Jahren der älteste Major-Finalist seit 1974, der andere 30 Jahre und ebenfalls auf der Zielgeraden seiner Karriere. Es wäre so etwas wie ein Retro-Finale, eine Reise in die Vergangenheit. „Ein Duell mit Rafa“, sagte Federer, „ist immer etwas Besonderes.“ Knapp sechs Jahre ist es her, dass sich beide letztmals im Endspiel eines Grand Slams gegenüberstanden: im Juni 2011 bei den French Open. In Roland Garros gewann Sandplatzkönig Nadal den Klassiker, den es bislang 34-mal gegeben hat (23 Siege Nadal). Längst sind Federer und Nadal nach längeren Tiefs wieder en vogue. Seit exakt einem Jahr hatten sie nicht mehr gemeinsam bei einem Major-Event aufgeschlagen. „Unser Sport hat die beiden vermisst. Sie sind Legenden, Stars, die Fans lieben sie“, sagte Djokovic in diesen Tagen.
Bisher 16:11 für die Jüngere
Das gilt auch für die WilliamsSchwestern. Die 36-jährige Venus ist durch das 6:7 (3:7), 6:2, 6:3 im US-Duell gegen Coco Vandeweghe die älteste Finalistin der Profi-Ära in Australien. Die 35 Jahre alte Serena schlug die 34-jährige Kroatin Mirjana Lucic-Baroni danach mit 6:2, 6:1.
Nach dem ersten Halbfinale tanzte die sonst eher introvertierte Venus Williams wie eine Eisprinzessin über den blauen Hartplatz. „Das ist mehr, als ich mir erträumt habe“, sagte die fünfmalige Wimbledon- und zweimalige US-Open-Siegerin nach dem Einzug in ihr 15. Grand-Slam-Finale – das erste seit Wimbledon 2009. Damals verlor sie ebenso gegen Serena wie 2003 in Melbourne. 16:11 heißt es für die Jüngere im direkten Vergleich, neunmal ging es bei den Familientreffen um Grand-Slam-Titel.
Stück für Stück kämpfte sich Venus Williams in den vergangenen Jahren nach einer Krankheit, die chronische Erschöpfung verursacht, wieder nach vorn, derzeit auf Platz 17 der Weltrangliste. „Solange man es weiter versucht, gibt es eine Chance“, sagte sie.
Auch gegen die so starke Schwester.