Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der BVB spielt auf Bewährung
Nach den Zwischenfällen am Samstag herrscht beim BVB nur wenig Euphorie vor dem Pokal – Tuchel warnt vor Pauschalverurteilungen
(SID/dpa/sz) - Für Borussia Dortmund geht es am Mittwoch gegen Hertha BSC (20.45/ARD und Sky) um mehr als den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals. Für den deutschen Vizemeister, die Verantwortlichen um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und die zahlreichen BVB-Fans steht mehr denn je das Ansehen auf dem Spiel. Nach den skandalösen Vorfällen im Rahmen des Bundesligaduells am vergangenen Samstag gegen RB Leipzig, bei denen Chaoten RB-Anhänger, darunter auch Familien mit Kindern, angegriffen hatten und im Stadion teils geschmacklose Transparente gegen Leipzig aufgehängt worden waren, hagelte es Kritik.
Einen erneuten Eklat beim DFBPokal-Achtelfinale gegen Hertha BSC am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) können sich die Westfalen nicht leisten. Von Vorfreude auf das Pokalspiel ist jedenfalls wenig zu spüren. Fieberhaft fahndet der BVB nach denjenigen, die am Samstag Grenzen überschritten hatten. Erste Übeltäter konnten laut Watzke identifiziert werden. Stadionverbote gegen Einzelne hat der BVB in der Vergangenheit bereits ausgesprochen, nicht auszuschließen, dass jetzt sogar ganze Ultra-Gruppen ausgeschlossen werden.
Laut Informationen der „Süddeutschen Zeitung“planten die Angreifer ursprünglich den Mannschaftsbus der Leipziger ins Visier zu nehmen. Dies habe die Polizei jedoch durch eine Umleitung verhindert. „Den Frust über diesen vereitelten Angriff auf den Leipziger Mannschaftsbus haben die Leute dann völlig unkontrolliert an den Leipziger Gästefans und den Polizeibeamten ausgelassen“, sagte ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Dortmunder Krisenstabs dem Blatt.
Jedoch steht auch die Schuldfrage im Zentrum des öffentlichen Interesses. Äußerungen wie Watzkes Behauptung, RB würde Fußball lediglich nutzen, „um eine Getränkedose zu performen“, wurde in der zugegeben ebenfalls recht hitzig geführten Debatte nach den Vorfällen eine Mitschuld an den jüngsten Eskalationen zugeschrieben. „Das Neuralgische an diesem Punkt ist, ob man als Vereinsleitung, als Mannschaft, als Trainer, als Geschäftsführer noch Öl ins Feuer gießt, wissend, dass die eigene Fankultur damit nicht umgehen kann“, sagte Fankulturforscher Harald Lange von der Uni Würzburg im „Kölner Stadtanzeiger“.
Der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) forderte bereits harte Gefängnisstrafen gegen die Krawallmacher, DFB-Präsident Reinhard Grindel, ebenfalls CDU, möchte einen „Aufstand der Anständigen“, die friedlichen Fans sollen sich deutlicher gegen die Chaoten positionieren.
Hertha-Manager Michael Preetz befürchtet indes nicht, dass sich die Geschehnisse wiederholen: „Morgen abend sollte der Sport im Fokus stehen. Die Atmosphäre in Dortmund haben wir aus Berliner Sicht immer als sehr gut empfunden“, sagte er am Dienstag.
BVB-Trainer Thomas Tuchel rief zu einer differenzierten Betrachtung auf. „Ich habe die Wand nicht als Wand des Hasses wahrgenommen. Die Spruchbänder habe ich in der Vielzahl gesehen, aber nicht einzeln gelesen“, sagte er. Natürlich distanziere man sich von den Inhalten, so Tuchel, „ich kenne aber Menschen, die in der Wand stehen und in keinster Weise gewalttätig sind. Bei aller Aufklärung sollte es keine Pauschalverurteilung geben“, sagte der BVBTrainer, der die Gewalt verurteilte.
So oder so: Die jüngsten Turbulenzen kommen zur Unzeit. Schließlich war der Borussia beim 1:0 über Leipzig zumindest aus sportlicher Sicht ein wichtiger Schritt aus dem Stimmungstief gelungen. Thomas Tuchel hofft inständig, dass sich dieser Trend gegen Hertha fortsetzt. „Gegen Leipzig haben wir Biss, gepaart mit unserer Qualität, gezeigt. Das ist so, wie wir uns das wünschen und wie wir es im Pokal auch schon wieder brauchen.“Ähnlich wie Tuchel verspürt auch Mittelfeldspieler Erik Durm Aufwind: „Der Sieg kann extrem Power geben.“
Dem BVB droht auf jeden Fall eine Strafe durch das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bund (DFB) – möglicherweise sogar ein Teilausschluss der Zuschauer. Nach Angriffen beim letztjährigen DFB-Pokalfinale gegen Bayern München wurde Dortmund zu 75 000 Euro Geldstrafe verurteilt und mit einer noch bis zum 31. Mai laufenden Bewährung belegt.