Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Frotzeln und Froschkutteln
Weiber von der Stadt stehen den Männern in nichts nach
RIEDLINGEN - Sie können singen, schunkeln und vortrefflich reimen, politische Büttenreden halten, mit herrlich spitzer Zunge über das andere Geschlecht herziehen und froschkutteln, gerade so gut wie die Männer – oder vielleicht sogar ein bisschen besser. Die Weiber von der Stadt stehen am Fasnetsdienstag den Männern in nichts nach. Im Sportheim des TSV Riedlingen machte der weiß gewandete Weiberhaufen mächtig Stimmung, bevor es zum Abrutschen und Männer verspotten ging.
Die Tradition mag nicht so weit zurück reichen wie beim MännerFroschkutteln. Doch auch die Weiber von der Stadt haben in ihrer 43-jährigen Geschichte eine ganze Reihe Bräuche und liebenswerte Rituale entwickelt. Das fängt beim Frühstück mit Sekt und Brezel an (ohne Butter, das „Hüftgold“lässt sich sparen), geht weiter mit traditionsreichem Liedgut („Rutsched ronder, rutsched ronder, rutsched ra, ra, ra...“) bis hin zum Dresscode aus weißem Nachthemd, Spitzenhäubchen, viel Schleifchen und Rüschchen, Schmuck und Accessoires in den Golefarben.
Frühsport und Frühspott
Vor allem aber gehören die vielen lustigen, spritzigen und einfallsreichen Beiträge dazu. Einen BFTP – „Beauftragten für tolles Programm“– brauche es deshalb nicht, waren sich die beiden Oberweiber Mechtild Kniele und Marlene Müller einig, die fleißig delegierten und Ehrenämtchen verteilten. Denn dafür sorgen die Weiber schon selbst. Da gibt es etwa die BFSM („Beauftragte für Schunkelmusik“) oder die BFGB („Beauftragte für geistlichen Beistand“) in Person von Anne Mielitz – „endlich eine Pfarrerin, die Sinn hat für unsere Fasnet“, rief Marlene Müller freudig aus. Das Amt der BFMG („Beauftragte für Morgengymnastik“) übernimmt seit jeher Gabi Stetter – auch so eine lieb gewordene Tradition, bei der die Weiber zu flotten Latino-Rhythmen ordentlich ins Schwitzen kommen.
Warm wird den Weibern auch, wenn sie über das Mannsbild ins Schwärmen geraten, auf das sie ausnahmsweise nichts kommen lassen: den Gole. Was ist das auch für ein Kerl! Einer, der die Frauen auch „em Nachthemd schee“findet, der „koin Dreck en Hausgang nei trait“und von dem jede hat, „was se braucht, ohne dass es den Gole schlaucht“, sang Dorothea Ewadinger voll Inbrunst auf die Melodie von Leonard Cohens „Halleluja“.
Einsingen für den Kandelmarsch
Für ein „Himmlisches Vergnügen“sorgten auch die Musikerinnen um Gabi Seifried, die zur Melodie von Helene Fischers „Atemlos“den Weiberhaufen zum Mitsingen und Mitklatschen animierten. Auch mit Lisa Steuer an der Gitarre konnten sich die Weiber – das jüngste gerade mal ein Jahr, das älteste 80 – schon einmal einsingen und in die richtige Stimmung für Abrutschen und Kandelmarsch bringen lassen.
Davor herrschten etwas gedämpftere Töne vor, als die vier Riedlinger Trauerschnallen, alle in ernstem Schwarz und mit verkniffenen Mienen ins Sportheim einziehen. „Nemma ganz die Jüngsten, aber giftig“seien sie, leierten Evelyn Binder, Caroline Hierlinger, Anita Missel und Dagmar Burkhart unisono in ihrer Litanei, bevor sie herrlich böse und zuweilen recht deftig über die Männer lästerten. Bei so manchem Mannsbild sei nämlich das Aftershave ein sehr viel sicheres Verhütungsmittel als die Pille. Und den Ehemännern empfahlen die Trauerschnallen einen „Basic Language“-Kurs an der Volkshochschule: „vom rudimentären Knurren bis zum ersten Wort“. Das finden dann sogar die „Frailein“hinter der Theke urkomisch, die einzigen Männer, die unter den Weibern von der Stadt geduldet werden – irgendjemand muss ja die holde Weiblichkeit mit Sekt, Kaffee und Froschkutteln bewirten.
Männer? Nicht unentbehrlich
Sie und der Gole sind dann wohl auch ausgenommen, wenn Waltraud Wolf über das starke Geschlecht reimt: „Doch, ihr Weiber, sagt es ehrlich, Männer sind nicht unentbehrlich.“Ebenfalls verzichtbar findet Wolf in ihrer pointierten und politisch kenntnisreichen Bütt überflüssige Vorschriften wie das Führungszeugnis für Flüchtlingshelfer und vor allem das drohende Aus für die Klinik: „Wir wollen eine Zukunft kriegen und nicht in fremden Betten liegen.“
Weniger politisch fielen die Beiträge von Rosmarie Kraljic, Elisabeth Hinz und Gabi Seifried aus, die dafür mit wachem Blick und viel Humor Alltägliches auf die Schippe nahmen. Überaus charmant schilderte Elisabeth Hinz etwa ihre Erfahrungen mit dem Smartphone, das zu manchem peinlichen Missverständnis führt. Rosmarie Kraljic weiß, wie anstrengend es ist, einen Rentner daheim zu haben, beruhigte aber die jüngeren Weiber: „Nach zehn Jahren Rente spielt sich’s ein.“
Der Gole verbindet
Einen großen Graben zwischen „Thermomixen“und Frauen, die noch selber kochen und mit der einheitlichen „Thermopampe“gar nichts anfangen können, sieht Gabi Seifried, die scharfzüngig die Künste dieser besonderen Küchenmaschine pries: „Hast du a Leiche in deim Keller, entsorgst du damit diese schneller.“Immerhin: Eines gebe es, so Seifried, was alle Weiber von der Stadt, ob „Thermomixe“oder nicht, verbindet: „Wir lieben d’Fasnet und den Gole!“