Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nichts für Zartbesaitete
Die Kreisgalerie Schloss Meßkirch zeigt die Entwicklung vom Holzschnitt zum Manga
- Wer glaubt, dass Manga und Anime ein rein modernes Kulturgut sind, täuscht sich. Die Wurzeln der japanischen Comics und Zeichentrickfilme, die heute als Massenmedien mit Leichtigkeit eine Gesamtauflage in Milliardenhöhe erreichen, führen zurück bis ins 18. Jahrhundert. In der Ausstellung „Götter, Krieger und Dämonen: Vom japanischen Holzschnitt zu Manga und Anime“zeigt die Kreisgalerie Schloss Meßkirch bis zum 18. Juni traditionelle japanische Farbholzschnitte und deren Einfluss auf die Werke zeitgenössischer Comiczeichner.
Die Besucher begegnen in den etwa 180 Exponaten nicht nur der technischen Virtuosität alter Künstler wie Katsukawa Shunko, Toyohara Kunichika und dem weltbekannten Katsushika Hokusai, sondern auch vielen mythischen Figuren aus der japanischen Geschichte und Glaubenswelt. Die Abbildungen der kriegerischen Szenen, der Menschenfresser, Geisterjäger und Dämonen sowie der wilden Tiere und Götter, aber auch der schönen Frauen und erotischen Szenen, sind teils sehr grafisch und vor allem nichts für Zartbesaitete. „Gerade Hokusai mit seinen teils drastischen Darstellungen war ein starker Impulsgeber für die Manga-Kunst“, sagt Edwin Weber, Kreisarchivar der Stadt Sigmaringen und Kurator der Schau.
Diese eindrücklichen Bildinhalte sind meist dem damals sehr beliebten Kabuki-Theater entlehnt, das sich viel mit der damaligen volkstümlichen Geister- und Dämonengläubigkeit beschäftigt hat. „Wie das Theater selbst sollten auch die Holzschnitte möglichst publikumswirksam sein“, erklärt Hannspeter Kunz, aus dessen Sammlung ein Teil der Ausstellungsstücke stammt. Das Besondere an diesen alten Drucken ist auch, dass die Künstler nicht die Zentralperspektive verwendeten, dafür aber Bild-in-Bild-Kompositionen anfertigten und sogar bereits Texte zur Interpretation des Bildes hinzufügten – eben genau die Stilelemente der modernen Comics. Die Geschichte der Manga-Stilistik beginnt im 17. Jahrhundert, als die Militärregierung des Shogunats in Edo (heute Tokio) Japan für etwa 250 Jahre lang von der restlichen Welt abschottete. Das Land entwickelte in dieser Zeit eine ganz eigene, von außen unbeeinflusste Kunst und Unterhaltungskultur: Kabuki-Theater, Sumo-Kampf, Tanz, Vergnügungsviertel, Literatur, Handel und Verlage florierten. Massenhaft verteilte illustrierte Roman- und Blattserien zeigten damals die Protagonisten, sozusagen die Stars dieser kulturellen Blüten, aber auch die Krieger vergangener Zeiten sowie Gruselgeschichten.
Anknüpfen an alte Inhalte
Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts Japan der Welt wieder öffnete, beeindruckten und beeinflussten seine Künstler ihre westlichen Kollegen durch die außergewöhnlichen Inhalte, die ostasiatische Ästhetik und die plakativen Farben ihre Drucke. Aber auch in Japan selbst knüpften junge Künstler an die alten Inhalte und deren Bildgestaltung weiter an. Den übernatürlichen Erscheinungen aus der eigenen Bild- und Erzähltradition fügten sie über die Zeit moderne Helden und Bösewichte, in dramatischer, komischer, erotischer, ästhetischer oder satirischer Form hinzu. Diese Kontinuität hat sich bis heute in Japan fortgesetzt, wo es mittlerweile Mangas für alle möglichen spezifischen Zielgruppen gibt.
Die Exponate der Schau stammen neben der Sammlung Kunz aus Sigmaringen auch von Günter Beck aus Pforzheim sowie der japanischen Partnerstadt Meßkirchs, Kahoku. Diese hat zwei kunstvolle Kamishibai (Papiertheater) und drei Mangas mit Sagen aus Unoke und Takamatsu sowie zu dem Leben und Werk des Philosophen Nishida Kitaro beigesteuert.
Die Ausstellung dauert bis 18. Juni. Öffnungszeiten: Fr.-So. und Fei. 13-17 Uhr. Sonderführungen finden am 26. März, 7. Mai und 18. Juni, jeweils um 15 Uhr statt. Am Dienstag, 4. April, um 19.30 Uhr zeigt die Galerie einen Film mit japanischen Anime.