Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bischöfe wollen im Wahljahr engagierter mitmischen
Sach wat!“Im Ruhrgebiet ist diese Aufforderung eindeutig: Der Gesprächspartner soll klar Stellung beziehen, schnörkellos seine Meinung sagen. Zwischen Emscher und Ruhr hat jetzt die Caritas ihre Mitarbeiter geschult, angesichts populistischer Tendenzen „Tacheles für Toleranz“zu reden. „Und wir haben als kirchlicher Wohlfahrtsverband ein deutliches Zeichen gegen Hass, Gewalt und Intoleranz gesetzt“, resümiert Michael Kreuzfelder, Sprecher der Caritas im Ruhrbistum Essen. Eine Initiative, die zur neuen Linie passt, die die katholischen Bischöfe verfolgen und auf ihrer heute zu Ende gehenden Frühjahrsvollversammlung einschlagen: sozial, engagiert, vernehmbar.
Mit dem Münchner Kardinal und Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, haben die Bischöfe seit drei Jahren einen Frontmann, der die Katholiken in der politischen Auseinandersetzung wortgewaltig zu positionieren weiß. Marx lässt keinen Zweifel, was er von Populisten hält, die unter dem Deckmantel der Sorge und der angeblich gefährdeten christlich-abendländischen Traditionen agieren: nichts. Der Sozialethiker, der den Papst im Kardinalsrat berät, predigt: „Wenn die Welt unruhig und unbarmherzig wird, wenn Auseinandersetzungen und Polarisierung zunehmen, dann muss dem die Botschaft Jesu entgegengehalten werden. Wir wollen uns als Christen bemühen, Brücken zu bauen und an einer Kultur des Respekts und der Freiheit mitzuwirken.“
Mit seinem Kurs klarer Positionierung hat Marx sich nicht nur Freunde gemacht. In der Flüchtlingsfrage weht an der Basis den Pfarrgemeinden der Wind ins Gesicht, engagierte Katholiken stellen sich der Diskussion mit AfD und Pegida. Caritas-Mitarbeiter würden angegriffen, sagt Caritas-Präsident Peter Neher. Unzufriedenheit herrscht in Teilen des Klerus: Dort fordern viele, vor allem frustrierte Priester, dass ihre Bischöfe gegen grassierende Bedeutungserosion stärker angehen mögen. In der Bischofskonferenz stoßen die Lösungsvorschläge, etwa zum Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und deren mögliche Zulassung zu den Sakramenten, bei manchem Mitbruder Marx’ auf Ablehnung. Mit der neuen Devise „Sach wat!“tut man sich schwer.
Ein anderes Beispiel für die neue Sprechweise, die Dinge beim Namen nennt: Wenn der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in Fake News eine Gefahr sieht, dürften sich viele seiner Mitbrüder zunächst fragen: „Was bitte sind Fake News?“Doch Woelki erklärt und warnt: „Sie blenden und verführen Menschen. Sie verschleiern die Realität. Sie suchen und finden Sündenböcke. Sie heizen die Stimmung an.“
Die Nagelprobe steht vor der Tür: Wird die katholische Kirche im Wahljahr aus ihrer Sprachlosigkeit herausfinden? AfD-Anhänger, die gleichzeitig in der Kirche engagiert und bei den Rechtspopulisten aktiv sein wollen, werden sich entscheiden müssen: für den Glauben oder ihre Partei. Ein „Diskurs durchaus strittigster Art“stehe ihnen bevor, sagt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Die Kirche müsse mit Vernunftargumenten ins Gespräch gehen und auf der Anerkennung der Menschenwürde bestehen. Wer anderen Menschen die Würde nicht zugestehe, überschreite eine Linie, die die Kirche nicht akzeptieren dürfe.