Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Rückschläge haben etwas Produktives“
Der Cellist Daniel Müller-Schott nimmt sich die Freiheit, auch Unbekanntes zu spielen
- „Du bist so ein bisschen Spielmachertyp“, hat ihm Fußballweltmeister Philipp Lahm nach einem Freizeitkick attestiert. Und mit Blick auf einen Treffer seines Freundes Daniel Müller-Schott anerkennend festgestellt: „Das war schon ein Traumtor.“Was der 40-Jährige natürlich gern hört. Ein Wechsel vom Konzertpodium auf den grünen Rasen steht dennoch nicht bevor. In Ravensburg ist der Cellist am Donnerstag, 16. März, mit dem Münchener Kammerorchester zu erleben. Christoph Forsthoff hat mit dem Musiker über die Zwänge des Klassikmarktes, Krisen, Nachwuchsförderung und seine Begeisterung für den Fußball gesprochen.
Ihr Lieblingsverein steuert zwar erneut das Double an, doch in der Champions League war vergangenes Jahr wie schon 2014 im Halbfinale Endstation. 2012 haben Sie die traumatische Niederlage des FC Bayern im Finale in München sogar selbst miterlebt wie auch die Fassungslosigkeit hernach. Kennen Sie solch ein Gefühl unbegreiflicher Niederlagen auch aus der Musik?
Nicht in dieser Form. Wenn ich in der Musik Rückschläge empfinde – was ja ohnehin sehr subjektiv ist –, dann haben diese durchaus etwas Produktives, denn sie sorgen für Klarheit und lenken den Fokus vielleicht auch auf Details in der Musik, die man vorher so nicht erkannt hat. Insofern sind solche kleinen Rückschläge enorm wichtig, um sich als Musiker weiterzuentwickeln und nicht stehenzubleiben.
Krisen, die am Ende dann doch angenehmer sein dürften als eine Niederlage. Sind Sie froh, Musiker und nicht Sportler geworden zu sein?
Auf jeden Fall! Zumal die Musik so unheimlich viele Facetten hat: Es geht eben nicht um das reine Gewinnen, sondern vor allem um die Ergründung eines spezifischen Ausdrucks. Was die Komponisten schon vor Hunderten von Jahren geschrieben haben, in Kombination mit der Gegenwart und meiner eigenen Person zu verbinden – das ist einfach ein unerschöpfliches Energiefeld. Und dieses Energiefeld immer wieder für sich gewinnen zu können und dadurch auch mehr über sich selbst zu lernen, ist sehr inspirierend.
Offenbar so inspirierend, dass Sie für Ihre CD-Alben immer wieder Werke einspielen, die eher selten zu hören sind im gängigen Konzertbetrieb, wie auch auf Ihrer jüngsten Einspielung mit Julia Fischer. Wie frei sind Sie da als Solist auf dem Musikmarkt?
Das ist sicher nicht sehr marktkonform, aber genau das reizt mich daran (lacht). Wobei es nie mein Ziel gewesen ist, gegen den Strom des Populären zu schwimmen, sondern mich interessiert, was musikhistorisch relevant ist, was sich entdecken und lernen lässt über einen Komponisten. Gerade wenn ich auf einer CD einen Komponisten vorstelle, muss ich auch andere Aspekte seines Werkes beleuchten.
Und diese Freiheiten lässt Ihnen der Markt auch?
Zumindest habe ich das Glück mit einer Plattenfirma und auch einem Umfeld zusammenzuarbeiten, die da sehr offen sind und auch akzeptieren, was ich mir an Programmen vorstelle. Gerade bei den CD-Aufnahmen habe ich da sehr freie Hand und wähle das Repertoire aus, das mir sehr am Herzen liegt und von dem ich glaube, es muss gehört werden – und ob das jetzt populär ist oder nicht, ist für mich dann zweitrangig. Entscheidend ist schlussendlich, dass dadurch inhaltliche Zusammenhänge verdeutlicht werden können.
Bei Plattenfirmen mag das ja noch gehen, doch Konzertveranstalter befürchten bei unbekannten Werken ja immer gleich, ein paar Hundert Tickets weniger zu verkaufen.
Es gibt einfach Situationen, wo man Entscheidungen treffen muss. Und wenn man überzeugt ist von einem bestimmten Werk, das man aufführen möchte, muss man sich da einfach durchsetzen und sowohl bei Veranstaltern als auch Agenten versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten, damit dieses Repertoire gespielt wird.
Das gegen unbekannte Werke gern verwandte Argument der Vermarktungsfähigkeit ist aus Ihrer Sicht also oft eher ein vorgeschobenes Argument?
Auf jeden Fall! Das merkt man ja schon, wenn man in die Schulen geht und den Kindern Schostakowitsch, Britten oder Prokofjew vorspielt: Da wird nicht groß nachgefragt, da gibt es keine Vorurteile – gute Musik steht erst einmal für sich. Doch da muss man in vielen Fällen eben den Menschen erst einmal wieder die Ohren öffnen, um ohne Vorurteile an Komponisten und Kompositionen heranzugehen. Dafür braucht es Überzeugungsarbeit und auch Interpreten, die ähnlich denken. Doch je mehr das werden, umso mehr wird sich die Musikwelt auch danach richten und werden auch Veranstalter wieder offen sein für ungewöhnliche und neue Werke.
Tickets für das Konzert mit Daniel Müller-Schott und dem Münchner Kammerorchester im Ravensburger Konzerthaus, 16. März, 20 Uhr, unter 0751 / 29 555 777.