Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Dobrindts Meisterprüfung steht auf der Kippe
Die Maut wird erneut im Bundestag beraten, doch ob sie bis zur Wahl verabschiedet wird, ist ungewiss
- 2013 hat die CSU ihren Wählern versprochen, 2017 soll sie, freilich nicht mehr für diese Wahlperiode, umgesetzt werden: die Infrastrukturabgabe, gemeinhin Maut genannt. Doch die Kritik reißt nicht ab. Große Zweifel gibt es nach wie vor.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat gerade erst die EUKonformität der Maut infrage gestellt. Außerdem bleibt fraglich, ob sie unter dem Strich eine nennenswerte Summe in die staatlichen Kassen bringt. Viele Gutachter, so auch der Friedrichshafener Verkehrswissenschaftler Alexander Eisenkopf bezweifeln dies. Und zum Dritten ist nicht sicher, ob die Maut überhaupt noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Denn nach der ersten Lesung im Bundestag am heutigen Freitag beginnen ja erst die neuen Anhörungsverfahren.
Die SPD ist nicht begeistert
Die SPD will nur aus einem Grund zustimmen: weil die Maut im Koalitionsvertrag verankert ist. „Die PkwMaut war noch nie ein Thema der Sozialdemokratie“, betont Christine Lambrecht, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Das Thema komme aus Bayern. „Aber wir verhalten uns koalitionstreu". Dabei will Lambrecht streng darauf achten, dass die Vereinbarungen eingehalten werden, sprich, dass auch wirklich Einnahmen in die Kasse kommen. An diesem Punkt herrscht große Skepsis.
Der Linken-Fraktionsvize Jan Korte prognostizierte bereits, dass die Maut „im besten Fall vom Europäischen Gerichtshof kassiert wird und im schlechtesten Fall alle Steuerzahler in der Bundesrepublik jedes Jahr Millionen kosten wird.“Die Kosten sind jetzt schon erheblich. Angeblich sind zwar nur drei Planstellen in der Abteilung Grundsatzangelegenheit mit 280 000 Euro dafür eingeplant, doch über acht Millionen Euro wurden schon im vergangenen Jahr für die Vorbereitung zur Erhebung der Infrastrukturabgabe ausgegeben. 1,1 Millionen davon für Personalmittel. Das steht in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen.
Bedenken gegen die Maut kommen selbst von Unionspolitikern aus NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz, die um die gute Nachbarschaft ebenso fürchten wie um schwindende Einnahmen durch weniger grenzüberschreitende Einkaufsfahrten. Die baden-württembergische CDU-Landesgruppe allerdings, die von Anfang an die Einführung der Maut begrüßte, steht nach wie vor geschlossen hinter Dobrindts Plänen.
Aus bayerischer Sicht ist die Maut die Meisterprüfung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Die unendlich scheinende Geschichte der Abgabe begann im Wahlkampf 2013. Merkel (CDU) sagte, mit ihr werde es keine Maut geben. „Alle anderen wollen Gratisfahrten von Ausländern hinnehmen, wir nicht", hatte Alexander Dobrindt gekontert.
Da war er noch CSU-Generalsekretär und seine Partei hatte zeitgleich zur Bundestagswahl ihren Wahlkampfhit „Ausländermaut“erfunden. Als Bundesverkehrsminister, taufte Dobrindt dann die Abgabe flugs in „Infrastrukturfinanzierung“um. Denn dass eine Belastung nur von Ausländern mit der EU nicht zu machen ist, war allen Beteiligten klar. Maut kassieren zwar viele Nachbarländer der Deutschen, aber sie nehmen die Abgabe auch von ihren eigenen Bürgern ein. Das wollte jedoch die CSU nicht, deshalb erfand Dobrindt einen Trick: Alle zahlen Maut, aber die Deutschen bekommen sie mit ihrer Kfz-Steuer verrechnet und erstattet.
Doch auch das war der EU-Kommission noch zu plump. Sie kündigte eine Klage an. Dobrindt verhandelte und besserte nach. Jetzt wird der deutsche Autofahrer nicht mehr 1:1 entlastet, besonders umweltfreundliche Autos werden sogar höher entlastet. Für die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion, Britta Haßelmann, steht trotzdem fest: „Die Maut ist ein unsinniges Projekt und gehört direkt eingestampft und nicht weiter beraten.“
Zuversichtlich seit Jahren
„Brüssel irrt, die Maut kommt, Gerechtigkeit siegt“, sagte Dobrindt im September 2015 zuversichtlich im Bundestag. Als amtierender Verkehrsminister könnte er das allerdings auch nicht mehr erleben. Denn selbst wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen sollten, haben die Niederlande, Österreich, Belgien und Dänemark bereits Klage gegen die Maut angekündigt. Sie könnte aber auch, wie es in Berlin so schön heißt, unter die „Diskontinuität“fallen. Das heißt, dass Gesetzesvorhaben, die innerhalb einer Legislaturperiode nicht verabschiedet worden sind, nach Ablauf dieser Periode automatisch verfallen. Im September wird der neue Bundestag gewählt.