Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Linde treibt Fusionspläne voran
Zusammenschluss mit Praxair soll noch vor der Hauptversammlung im Mai erfolgen
(dpa) - Gewerkschaften und Betriebsrat stemmen sich gegen eine Übernahme des Gasekonzerns Linde durch den US-Konkurrenten Praxair. Vor der Entscheidung versucht Linde-Vorstandschef Aldo Belloni, sie umzustimmen. In Bayern fallen fast 1000 Stellen weg – aber ohne Fusion droht ein anderes Szenario.
Belloni will die Fusion mit Praxair nicht gegen den Widerstand der Arbeitnehmer durchsetzen. „Nein, das wäre schlecht“, sagte er am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz in München. Aber er sei im Dialog und habe Signale erhalten, wie er die Arbeitnehmer doch dafür gewinnen könnte.
Der Zusammenschluss zum weltweit größten Industriegasekonzern soll noch vor der Linde-Hauptversammlung am 10. Mai besiegelt werden. Die Verhandlungen seien voll im Plan, sagte Belloni. Linde habe auch allein ein stabiles, wettbewerbsfähiges Geschäftsmodell sowie Erfolg versprechende Innovationen und brauche eine Fusion „nicht dringend“. Aber im Gasegeschäft bedeute Größe höhere Gewinnmargen. Deshalb sorge die Fusion zum Weltmarktführer für „solide und sichere Arbeitsplätze“, sagte Belloni.
1000 Arbeitsplätze weniger
Gewerkschaften und Betriebsrat sehen Mitbestimmung und Arbeitsplätze bedroht und lehnen die Fusion als getarnte Übernahme ab. Im laufenden Sparprogramm baut Linde bis Ende 2019 fast 1000 Arbeitsplätze vor allem im Großraum München ab, wie Belloni sagte. Das werde im laufenden Jahr 250 Millionen Euro kosten. Nur bei einer Fusion gebe es aber Kündigungsschutz und Standortgarantien bis 2021. Heute beschäftigt Linde 8000 Menschen in Deutschland, 60 000 sind es weltweit.
Praxair-Chef Steve Angel soll den neuen Konzern aus den USA leiten, auch der Finanzvorstand wird dort sein. Die Konzernholding werde in Dublin, London oder Amsterdam angesiedelt, sagte Belloni – aus Steuergründen, aber auch wegen der Lage zwischen München und Danbury, dem Standort von Praxair. Welche Vorstandsfunktionen in München bleiben, „ist noch ziemlich flüssig“, erklärte Belloni.
Die Ermittlungen der deutschen Finanzmarktaufsicht (BaFin) gegen Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle wegen Verdachts von Insidergeschäften seien Privatsache von Reitzle. „Bei den Verhandlungen spielt das absolut keine Rolle“, meinte Belloni.
Wegen Kartellauflagen würden Linde und Praxair wohl Firmenteile verkaufen müssen, vor allem in Nordamerika. Praxair ist in Nordund Südamerika Marktführer, Linde in Europa und Asien.
Der neue Konzern soll an der New Yorker Börse und im Leitindex Dax in Frankfurt notiert bleiben. Nur acht Prozent der Linde-Aktionäre seien deutsch, sagte Finanzchef Sven Schneider.
Im vergangenen Jahr belastete der niedrige Öl- und Gaspreis den Anlagenbau von Linde weiter stark. Der Konzernumsatz sank um zwei Prozent auf 16,9 Milliarden Euro – aber dank des Sparprogramms stieg der Gewinn um sieben Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr peilt der Konzern drei Prozent mehr Umsatz und ein Ergebnis auf Vorjahresniveau an. Das Gasegeschäft wachse, und im Anlagenbau erwartet er wegen des Investitionsstaus bei den Kunden allmählich wieder mehr Aufträge, die sich ab 2018 in mehr Umsatz und Gewinn niederschlagen dürften, glaubt Belloni.
Der Praxair-Umsatz sank im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 10,5 Milliarden und der Gewinn auf 1,5 Milliarden Dollar.