Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gründer haben häufig Geldprobleme
Vielen Start-ups fällt die Suche nach Investoren schwer – Diese stecken immer mehr Geld in innovative Ideen
- Aller Anfang ist schwer. Gründer deutscher Start-ups können ein Lied davon singen. Sie brauchen meist einen langen Atem, um ihre Idee marktreif zu machen. Die meisten scheitern früh. Besonders schwierig ist die Phase, wenn Ersparnisse und befreundete Geldgeber ausgehen. Spätestens dann beginnt die langwierige Suche nach Investoren. Die Gründerinnen Lea Lange und Anna Alex haben sich durchgebissen und ihre Start-ups etabliert – leicht war es nicht.
Ende 2013 gründete Lea Lange mit Marc Pohl und Sebastian Hasebrink in Berlin den Onlineshop Junique. Ihr Ziel war es, jungen Künstlern eine Plattform zu bieten und deren Kunst für einen bezahlbaren Preis unter die Leute zu bringen. Das Konzept ging auf: Heute verkaufen sie in mehreren europäischen Ländern Werke Hunderter internationaler Künstler – als Wandbilder oder gedruckt auf Postern, Kleidung und Handyhüllen. Ohne Investoren wäre dieser Erfolg unmöglich gewesen. Hunderten Geldgebern stellten sie ihr Konzept vor, nur einen Bruchteil konnten sie gewinnen.
„Das kann besonders am Anfang unglaublich frustrierend sein. Du brauchst enormes Durchhaltevermögen, Leidenschaft und musst gänzlich von deiner Idee überzeugt sein“, sagt Lange. Wichtig sei, sich immer auf das Positive zu konzentrieren und die Feedbacks zu nutzen, um sich laufend zu verbessern. Nur dank eines durchdachten Plans, guter Argumente und nicht zuletzt viel Überzeugungskraft sei es möglich gewesen, bis heute rund 20 Millionen Euro einzusammeln.
Das Wagniskapital stammt von Investoren wie Redalpine Venture Partners, Vorwerk Ventures oder dem High-Tech Gründerfonds. Diese unterstützen vor allem neuartige Ideen, die auf lange Sicht Gewinne versprechen. Weil Gründer aber zunächst keine handfesten Zahlen vorweisen können, müssen sie ihr Konzept den Geldgebern überzeugend vermitteln. Viele schaffen das nicht und geben auf. Wer sich erfolgreich bemüht, braucht im Schnitt fünf bis sieben Monate, bis eine Finanzierung zustande kommt.
Schneller Erfolg ist die Ausnahme
Rückschläge kennen auch Anna Alex und Julia Bösch, die im Januar 2012 in Berlin den Online-Herrenausstatter Outfittery gegründet haben. Dank ihres innovativen Geschäftsmodells, Männern individuell angepasste Modepakete zusammenzustellen, kam der Erfolg jedoch schnell. Auch deshalb, weil sie nach eigener Aussage mit Herzblut hinter ihrem Projekt standen, bereits Arbeitserfahrung in der Start-up-Szene gesammelt hatten und auf ein Netzwerk an Kontakten zurückgreifen konnten.
„Wir hatten bislang den Luxus, dass wir uns die Investoren aussuchen konnten. Die meisten sind Männer, somit konnten sie unseren Service selbst testen und waren direkt begeistert“, sagt Alex. Holtzbrinck Ventures sei der erste Investor gewesen, viele weitere folgten. Mittlerweile hat das Unternehmen fünf Finanzierungsrunden hinter sich, beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter und ist in acht Ländern aktiv. Nicht jedes Start-up hat so viel Glück.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betont, dass die Kapitalbeschaffung für Gründer immer noch eine große Herausforderung darstellt. „Banken und Investoren halten sich insbesondere in der Frühphase der Unternehmensgründung zurück“, schreibt er im Grußwort des Deutschen Start-up Monitors 2016. Wagniskapital sei deshalb von erheblicher Bedeutung. Um die Gründungskultur zu stärken, wolle die Bundesregierung weitere Fonds auflegen und steuerliche Hemmnisse abbauen.
Start-up-Szene weitet sich aus
Die Studie des Bundesverbands Deutsche Start-ups repräsentiert 1224 Start-ups mit rund 3000 Gründern und 14 500 Mitarbeitern. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Berlin zwar immer noch als Deutschlands Start-upHochburg gilt. „Berlin ist New York, Tel Aviv und London eng auf den Fersen“, bestätigt Anna Alex. Aber Regionen wie Rhein/Ruhr, Stuttgart oder Hannover holen auf. Außerdem lassen sich drei Trends ausmachen: Die deutsche Gründerszene weitet sich aus, wird internationaler und auch weiblicher. Demnach besaßen 2016 knapp 30 Prozent der Belegschaften keinen deutschen Pass. Ein ANZEIGE Jahr zuvor waren es noch 22 Prozent. Der Frauenanteil lag unter den Gründern mit 13,9 Prozent so hoch wie nie zuvor. Und die befragten Start-ups sammelten insgesamt 1,1 Milliarden Euro externes Kapital ein – 100 Millionen mehr als im Vorjahr. Vieles kam aus dem Ausland. Auch bei Outfittery sind internationale Investoren an Bord. „Gute Ideen werden immer finanziert“, sagt Anna Alex.
Dass hierzulande immer mehr in Start-ups investiert wird, belegen auch Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. „2016 wurde mit 930 Millionen Euro so viel durch Venture-Capital-Gesellschaften investiert wie seit 2008 nicht mehr“, sagt Vorstandsmitglied Ulrike Hinrichs. Ihr Verband glaube fest daran, dass es so weitergeht. Die Zahl der Venture-CapitalInvestoren sei in Deutschland in den letzten Jahren kräftig gewachsen.
„Aktuell kennen wir rund 150 Gesellschaften“, sagt Hinrichs. Insbesondere im Berliner Umfeld habe es viele Neugründungen gegeben. Aber auch immer mehr deutsche Großunternehmen und Mittelständler hätten inzwischen eigene Beteiligungsgesellschaften ins Leben gerufen, um in junge Unternehmen mit frischen Ideen zu investieren. Hinrichs: „Marktteilnehmer und Politik sind aber weiterhin aufgerufen, gemeinsam Wege zu finden, mehr Kapital für deutsche Start-ups zu mobilisieren.“
Auch Unternehmen investieren
Wie das Onlinemagazin „Gründerszene“auflistet, war die weltweit aktivste deutsche Beteiligungsgesellschaft für Start-ups im ersten Halbjahr 2016 „Tengelmann Ventures“. Die Tochtergesellschaft der gleichnamigen Unternehmensgruppe investiert hauptsächlich in schnell wachsende E-Commerce-Firmen. Dahinter folgt das Medienunternehmen Bertelsmann, das mit seiner Tochter „Digital Media Investments“besonders digitale Medientechnologien unterstützt. Auch die Pharmariesen Boehringer-Ingelheim und Merck sowie der Mischkonzern Bosch stecken viel Geld in Start-ups.
Bekannte Namen spielen für die Gründer bei der Investorensuche allerdings kaum eine Rolle. Einer Studie des Digitalverbands Bitkom zufolge, scheut jeder fünfte sogar einen Investor mit Prominentenstatus. Für fast 90 Prozent der befragten ITStart-ups zählt demnach vor allem, dass dieser zum Produkt passt. Aber immerhin die Hälfte würde sich die mediale Aufmerksamkeit wünschen, die ein prominenter Investor mitbringt.
„Für uns war es gerade am Anfang wichtig, einen namhaften Investor zu gewinnen, der nah an uns dran ist“, betont hingegen Lea Lange. Zu einem ihrer wichtigsten Investoren zähle daher auch Highland Capital Europe. „Highland ist kein deutscher Fond, hat einen starken Europa-Fokus und ein weltweites Netzwerk, der für Junique als europäische Marke enorm wichtig ist.“