Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hamburg feiert Wiedergeburt, Wolfsburg zeigt Charakter
Gut, dass es in der Fußball-Bundesliga Platz 16 gibt, den Relegationsrang, auf dem junge Männer bis in den Sommer hinein zittern müssen, ob sie weiter im Konzert der Großen mitspielen dürfen. Mancher Kicker kennt das Gefühl noch von Kindheitstagen, tatsächlich heißt relegieren „von der Schule verweisen“, und es ist das Spannendste, was der deutsche Fußball derzeit zu bieten hat. Zwei Drittel aller Vereine, vom Achten bis zum Achtzehnten, spielen nicht um Ruhm und Ehre, sondern allein gegen den Abstieg. Ginge die Saison länger, auch Frankfurt, Köln und Berlin würden wohl eines Tages zum erlauchten Kreis der GegenPlatz-16-Kämpfer hinzustoßen.
Zu verdanken hat die Liga das Männern wie und
und Vereinen wie ihrem Hamburger SV und dem VfL Wolfsburg, die von unten so viel Druck ausüben, dass der Abstand zu den vor kurzem noch angeblich Geretteten (Schalke, Gladbach) immer geringer wird respektive inzwischen ein Vorsprung ist (Augsburg, Mainz). Holtby war am Samstag glücklich wie ein kleines Kind, er strahlte und jubelte wie zuletzt vor Jahren in Mainz, als er mit
und die berüchtigte Bruchweg-Boygroup bildete. Nach 2172 Minuten Flaute hatte der
Gomez Schürrle Lewis Holtby Adam Szalai Mario André
Ex-Nationalspieler wieder getroffen, in der Nachspielzeit gegen Köln, und dann auch noch zum 2:1-Siegtreffer. „Als der Ball kam, dachte ich nur: Knall drauf! Danach war alles verrückt und mein Gehirn hat komplett ausgeschaltet“, sagte der 26-Jährige, der sein 13Kilometer-Laufpensum danach nicht mehr spürte. Voller Adrenalin betätigte sich Holtby als Einpeitscher in der Fankurve. Auch Trainer
war fertig mit den Nerven: „Ich musste erstmal etwas runterkommen. Man hatte das Gefühl, das Stadion bricht beim 2:1 auseinander.“
Markus Gisdol
Tatsächlich ist Wundersames passiert beim HSV seit dem zehnten Spieltag. Kümmerliche zwei Punkte hatte der Bundesliga-Dino damals, seither haben sich die Hanseaten zur (zumindest nach Punkten) heimlichen Nr. 2 der Liga gemausert. Das Rezept ist simpel: Mit den Innenverteidigern
und sowie dem brasilianischen Sechser hat Gisdol die zentrale Defensive ersetzt und verstärkt, seither verteidigt die Mannschaft (abgesehen vom 0:8 gegen Bayern) etwas beherzter. Die Offensive tut sich dann auch leichter, etwa der das 1:0 schoss. Auch der 29-Jährige war so gut wie zu besten Zeiten in Mainz, fällt wegen eines Innenbandrisses aber ziemlich sicher bis Saisonende aus. „Es tut weh, solch einen guten Spieler zu verlieren“, sagte Gisdol, der sich damit trösten kann, dass seine Mannschaft erstmals seit einem halben Jahr die Abstiegsränge verlassen hat und auf Rang 14 kletterte.
Mergim Mavraj
Wallace Kyriakos Papadopoulos Nicolai Müller,
Einen Rang drüber liegt seit Sonntag der VfL Wolfsburg, der sich allerdings darüber ärgern darf, nicht mehr als nur einen Punkt zwischen sich und Rang 16 gebracht zu haben. Von Beginn an war der VfL im ungewohnten KellerDuell der Werksclubs in Leverkusen besser, dennoch lag er mit 0:2 hinten, ehe die große Mario-Gomez-Show begann. Der Nationalstürmer aus Unlingen drehte die Partie mit drei Toren binnen 6:58 Minuten (80./83./87., Foulelfmeter) im Alleingang, schien nach der Partie allerdings nahe am Weinen zu sein. Grund dazu hätte Gomez gehabt: Sekunden nach der 3:2-Führung schoss der 17-jährige den Ausgleich für Bayer, Wolfsburg hatte es verpasst, auf Defensive umzuschalten. „Das kostet Nerven. Du glaubst, noch was holen zu können, holst auch was, und dann schenkst du es wieder her“, sagte Trainer Gomez sah es ähnlich, trotz des viertschnellsten Hattricks der Liga-Geschichte: „Ich kann irgendwie nicht glücklich sein“, sagte er. Kürzlich, fügte der 31-Jährige an, „wurden bei mir noch die Minuten in einer anderen Richtung gezählt“, Gomez weiß, dass es besser wäre, weder bei Hochs noch bei Tiefs so laut zu schreien: „Die Tore, das ist alles gute Teamarbeit.“
Kai Havertz Andries Jonker.
In eine andere Richtung scheint auch der Weg von Leverkusen zu führen. Unter Trainer ist Bayern seit fünf Pflichtspielen sieglos. Wer weiß, vielleicht wartet die Relegation heuer mit einem Champions-League-Achtelfinalisten auf. Nur noch drei Punkte liegt Bayer vor Rang 16.
Tayfun Korkut