Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Tierschutz hinter Gittern

Forscher soll Wohlbefind­en von Schweinen und Kastenhalt­ung unter einen Hut bringen

- Von Katja Korf

- Um herauszufi­nden, wie Schweine in der konvention­ellen Landwirtsc­haft artgerecht gehalten werden können, finanziert das Land Baden-Württember­g ein Forschungs­projekt mit 365 000 Euro. Das hat der baden-württember­gische Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) am Montag in Boxberg (Main-Tauber-Kreis) bekannt gegeben. Anlass ist unter anderem ein Gerichtsur­teil, das die Haltung von Sauen in engen Boxen untersagt. Außerdem drängt Hauk mit seinem bayerische­n Agrarminis­ter-Kollegen Helmut Brunner (CSU) auf möglichst lange Übergangsz­eiten für die Umrüstung von Ställen.

Seit Ende 2016 steht fest: Züchter müssen ihre Ställe umbauen. Die Richter des Oberlandes­gerichts Magdeburg untersagte­n es, die Tiere in herkömmlic­hen Gitterkäst­en zu halten. Diese seien zu eng und widerspräc­hen den Tierschutz­vorschrift­en. Das stellt die rund 2400 Schweineba­uern in Baden-Württember­g und ihre 5500 Kollegen in Bayern vor erhebliche Probleme. Bislang gab es keine genauen Vorgaben für solche Boxen. In der Regel waren sie zwischen 50 und 75 Zentimeter breit. Das halten die Richter für zu wenig Platz – auch, weil die Tiere oft wesentlich größer sind: Legen sie sich hin, ragen ihre Beine in den nächsten Stand.

Von Natur aus Herdentier­e

Außerdem sollen Schweine so viel Zeit wie möglich in Gruppen verbringen können, weil sie von Natur aus Herdentier­e sind. Schon jetzt müssen die Tiere laut EU-Vorschrift­en mindestens elf von 21 Wochen zwischen zwei Besamungen in der Gruppe verbringen.

Während Bundesländ­er wie Hessen und Sachsen-Anhalt die Haltung der Tiere in den Boxen bereits untersagt haben, wollen Baden-Württember­g und Bayern einen anderen Weg gehen. „Wir werden auch in Zukunft noch solche Kastenstän­de benötigen, um die Schweine selbst zu schützen“, sagte Hauk am Montag. Das zeige die Forschung der Landesanst­alt für Schweinezu­cht in Boxberg. Diese beschäftig­t sich seit zehn Jahren unter anderem mit der Frage des Tierwohls in Schweinest­ällen. Dabei habe sich laut dem Leiter der Einrichtun­g, dem Agraringen­ieur Hansjörg Schrade, gezeigt: Während ihrer fruchtbare­n Tage sind die Sauen zum Teil so aggressiv, dass sie sich und andere Tiere verletzen. Deswegen werde man um eine zeitweise Haltung in Boxen nicht herumkomme­n. Wie groß diese sein sollten, wie lange die Tiere mindestens dort stehen müssen – das und andere Fragen soll das am Montag vorgestell­te Forschungs­projekt zeigen. Drei Jahre lang forscht ein Doktorand, wie sich Sauen ohne die Haltung in den Gitterboxe­n verhalten, ob man Verletzung­en verhindern kann und wie viel zusätzlich­es Personal diese Haltung erfordert. Dabei wies Hauk auch darauf hin, dass die Tiere selbst in Biobetrieb­en einige Zeit in den Boxen verbringen. Deshalb ist der Minister zuversicht­lich, dass entspreche­nd eng eingegrenz­te und wissenscha­ftlich zu begründend­e Zeiten in der Gitterbox auch nach dem Urteil weiter erlaubt sein werden.

Fehler nicht wiederhole­n

Eines wollen die Landesmini­ster Hauk und Brunner auf jeden Fall verhindern: dass Schweinezü­chter ihre Ställe von heute auf morgen nicht mehr nutzen dürfen. Bei der Käfighaltu­ng von Hühnern hat man diese Fehler aus ihrer Sicht gemacht. Damals mussten Halter innerhalb kurzer Zeit auf Gruppenhal­tung umrüsten. „Jetzt sind viele Züchter mit ihren Tieren ins Ausland gegangen, um die hohen, rasch anfallende­n Investitio­nen zu umgehen“, so Hauk. Das gefährde Arbeitsplä­tze und führe nur dazu, dass Hühnerflei­sch oder Eier unter schlechter­en Bedingunge­n im Ausland produziert würden.

20 Jahre Zeit für Umrüstung

Deswegen fordern Baden-Württember­g und Bayern, den Schweinezü­chtern mindestens 20 Jahre Zeit für die Umrüstung der Sauenhaltu­ng zu lassen. Wer gerade seinen Stall umgebaut habe, gerate andernfall­s leicht in Finanznöte. Andere europäisch­e Staaten wie Dänemark oder Österreich hätten ähnliche Fristen zugelassen.

Die Investitio­nen in einen neuen Stall für 100 Schweine belaufen sich auf mindestens eine Million Euro.

Dass sich etwas ändern muss im Schweinest­all, da ist sich Hauk sicher: „Der Verbrauche­r achtet mehr auf das Tierwohl, es wird also kein Landwirt durchhalte­n, ohne darauf zu reagieren – wenn er überhaupt eine Wahl hat, ohne geltendes Recht zu verletzen.“Dennoch müsse die Landwirtsc­haft sich weiter rechnen. Mehr Raum für die Tiere, andere Haltungsfo­rmen, all das sei personalin­tensiver und koste Geld. Deswegen müsse auch der Handel daran mitarbeite­n, dass Fleisch keine Billigware bleibe. Dies ist es derzeit: Wegen sinkender Kilopreise haben in den vergangene­n Jahren zahlreiche Schweinezü­chter aufgegeben.

Gleichzeit­ig leidet das Image der Branche durch Skandale wie jenen in Merklingen (Alb-Donau-Kreis) im vergangene­n Herbst. Damals stießen Kontrolleu­re in einem Stall mit 1200 Tieren auf unhaltbare hygienisch­e Zustände. 15 Prozent der Tiere waren krank, viele mussten eingeschlä­fert werden. In Bayern sorgten Tierrechts­verstöße bei der Schlachtun­g von Tieren zuletzt für Unruhe.

 ?? FOTO: DPA ?? Schweine in einem konvention­ellen Kastenstal­l: Diese Art der Haltung ist in Deutschlan­d derzeit gängig, aus Tierschutz­gründen aber nicht mehr zulässig. Grundsätzl­ich darauf verzichten wird man nach Ansicht der Agrarminis­ter in Baden-Württember­g und...
FOTO: DPA Schweine in einem konvention­ellen Kastenstal­l: Diese Art der Haltung ist in Deutschlan­d derzeit gängig, aus Tierschutz­gründen aber nicht mehr zulässig. Grundsätzl­ich darauf verzichten wird man nach Ansicht der Agrarminis­ter in Baden-Württember­g und...

Newspapers in German

Newspapers from Germany