Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Väter und Mütter wollen beides: Beruf und Familie“
SPD setzt auf Familienarbeitszeit als Wahlkampfschlager – Bundesministerin Schwesig erläutert Konzept
- Mit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie will die SPD im beginnenden Bundestagswahlkampf punkten. Zentraler Baustein ist eine Familienarbeitszeit. Ein entsprechendes Konzept stellte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig am Montag in Berlin vor. Rasmus Buchsteiner hat mit ihr gesprochen.
Frau Schwesig, Sie versprechen ein Familiengeld von zweimal 150 Euro für Paare, bei denen beide Partner arbeiten, wenn auch nicht in Vollzeit. Ist das nicht die einseitige Bevorzugung eines bestimmten Familienmodells?
Überhaupt nicht! Die meisten Väter und Mütter wollen beides: Beruf und Familie. Unsere Familienarbeitszeit ist ein Angebot dafür. Moderne Familienpolitik unterstützt die Menschen so zu leben wie sie leben wollen. Es muss möglich sein, in bestimmten Lebensphasen, die Arbeit eine Zeit lang zu reduzieren, wenn die Familie einen mehr braucht.
Warum sollte es Sache des Staates sein, wie Paare in Deutschland ihre Aufgaben in Beruf, Haushalt, Familie und bei der Pflege aufteilen?
Darüber entscheiden die Paare selbst. Aber immer mehr Eltern wollen sich die Aufgaben partnerschaftlich teilen. Viele Väter und Mütter erleben eine Doppel- und Dreifachbelastung, ziehen Kinder groß, haben pflegebedürftige Angehörige. Alleinerziehende nochmal viel stärker. Die müssen wir entlasten, die erwarten zu Recht, dass die Politik sie nicht alleine lässt.
Die Arbeitgeber laufen Sturm gegen die Pläne für einen Rechtsanspruch auf Familienarbeitszeit. Ist Ihr Modell nicht viel zu starr und geht an den Realitäten gerade in Klein- und Kleinstbetrieben vorbei?
Die Familienarbeitszeit ist eine Unterstützung für Männer und Frauen, die Zeit für Familie oder Pflege haben wollen, ohne gleich den Beruf aufzugeben. Das ist auch im Interesse der Arbeitgeber, denn es führt da- zu, dass Beschäftigte in den Betrieben bleiben. Es ist an der Zeit, dass nicht nur die Familien immer arbeitsfreundlicher werden, sondern auch die Arbeitswelt familienfreundlicher wird. Nur wenn wir Entlastung schaffen, werden Familien die Herausforderungen, vor denen sie stehen, meistern können. Wir können uns nicht ewig darauf verlassen, dass sie einfach funktionieren.
Was unterscheidet Ihr Familiengeld-Modell eigentlich vom Betreuungsgeld, auf das die CSU setzt?
Wir ermöglichen Berufstätigkeit und Zeit für Familien. Hinter dem Betreuungsgeld stand einzig und allein das Ansinnen, dass die Kinder nicht in der Kita betreut werden.
Auch Vätermonate und Elterngeld sind mit einem Rechtsanspruch eingeführt worden, inzwischen werden sie von mehr als jedem dritten Mann mit Kind genutzt. Mit welcher Nachfrage rechnen Sie bei der Familienarbeitszeit?
Die Nutzung wird wie beim Elterngeld Jahr für Jahr zunehmen. Wir gehen aufgrund unserer Befragungen davon aus, dass das Familiengeld für die Kinderbetreuung zunächst von etwa 20 Prozent der Paare in Anspruch genommen wird. Bei der Pflege schätzen wir, dass die Angehörigen von etwa 500 000 Pflegebedürftigen diese Unterstützung in Anspruch nehmen.
Konkret: Was soll sich bei der Pflege ändern?
Die SPD will erstmals die Möglichkeit einer längeren Auszeit für die Pflege schaffen, die mit einer Familienleistung gefördert wird. Wir haben bereits die bezahlte zehntägige Pflegezeit, die Angehörige im Akutfall in Anspruch nehmen können, durchgesetzt. Aber das reicht nicht. Wir wollen – erstens – eine PflegeAuszeit von drei Monaten mit Lohnersatzleistung und – zweitens – die Möglichkeit, die Arbeitszeit über zwei Jahre auf 26 bis 36 Wochenstunden zu reduzieren und währenddessen ein Familiengeld von 150 Euro monatlich zu beziehen.
Für die Umsetzung Ihrer Pläne benötigen Sie Milliarden-Beträge. Woher wollen Sie das Geld nehmen?
Wir haben enorme Steuerüberschüsse, ich finde, gerade Familien und Pflegebedürftige sollten uns das Geld wert sein. Im Übrigen: Die Unterstützung für Familien und pflegebedürftige Angehörige rentiert sich. Wenn mehr Frauen arbeiten und das auch noch länger als in Teilzeit, fließen zusätzlich Steuern an den Staat und Beiträge an die Sozialkassen. Bei der Pflege muss man bedenken, dass ein Großteil der Bedürftigen von Angehörigen gepflegt wird. Sie in Einrichtungen zu betreuen, würde pro Jahr mehr als fünf Milliarden Euro zusätzlich kosten.
Auch die Union will Familien massiv entlasten – über ein Kindersplitting mit erhöhten Kinderfreibeträgen. Was halten Sie von diesen Überlegungen?
Ich glaube der Union kein Wort. CDU und CSU haben den Familien bereits im Bundestagswahlkampf 2013 viel versprochen und dann nichts gemacht. Ich habe als Familienministerin in den vergangenen dreieinhalb Jahren erlebt, dass ich alle Verbesserungen für Familien von der Entlastung für Alleinerziehende bis zur höheren Kita-Förderung hart gegen die Union durchsetzen musste.
Für die SPD ist das bisherige Ehegattensplitting ein Auslaufmodell, oder?
Wir wollen ein modernes Steuerrecht, das Familien mit Kindern in den Mittelpunkt stellt. Das ist einfach die aktuelle Lebensrealität. Deshalb arbeiten wir an einem Steuerkonzept, das alle Kinder berücksichtigt – und zwar unabhängig vom Trauschein der Eltern.