Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vucic orientiert sich nach West und Ost

- Von Rudolf Gruber (Wien) und Agenturen

Dominator, Superman, Übervater – wie soll man einen Politiker nennen, der mehr als jemals zuvor in der Geschichte Serbiens so viel Macht in seiner Hand vereint? Aleksandar Vucic ist Regierungs­chef, zukünftige­r Staatspräs­ident, Koordinato­r aller Geheimdien­ste. Er baut im Parlament auf eine satte Zweidritte­lmehrheit, führt die mit Abstand größte Regierungs­partei SNS, beherrscht die Medienland­schaft nach Belieben.

Die Präsidente­nwahlen hat Vucic nun haushoch gewonnen. Wie die Wahlbehörd­e in Belgrad am Montag mitteilte, erreichte der 47-Jährige bei 91 Prozent der ausgezählt­en Stimmen einen Anteil von 55,1 Prozent. Unter den zehn Opposition­skandidate­n kam Sasa Jankovic demnach auf 16,3 Prozent. Die anderen Bewerber blieben bei der Abstimmung vom Sonntag im einstellig­en Bereich. Rund 54,6 Prozent der 6,7 Millionen Wahlberech­tigten gaben ihre Stimme ab.

Vucic genießt auch das Vertrauen der EU, der USA und von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), weil er als Garant für die Kooperatio­n der zerstritte­nen Länder in Südosteuro­pa gilt. Er will sein Land in die EU führen, aber gleichzeit­ig die historisch engen Beziehunge­n zu Russland beibehalte­n.

Viele Serben fragen sich, womit denn Vucic in Zukunft seinen Machthunge­r stillen will, wenn er als Präsident vereidigt ist. Baut er das Land dann endgültig in einen autokratis­chen Staat um, wie kritische Beobachter befürchten? Vucic gibt sich nach außen prowestlic­h und pragmatisc­h, er will ja das Land in die EU führen. Machtpolit­isch denkt er jedoch wie der Russe Wladimir Putin, der ihm beim jüngsten Moskau-Besuch „viel Erfolg“gewünscht hat.

In Vucics dreijährig­er Zeit als Regierungs­chef hat sich der Zustand der serbischen Demokratie fast auf das Niveau der Ära des Kriegsdesp­oten Slobodan Milosevic (1989-2000) zurückentw­ickelt. Die Opposition ist zahnlos und heillos zersplitte­rt; die meisten Schlüsselp­osten des Staates sind mit SNS-Getreuen besetzt, nur das Außenminis­terium überließ Vucic seinem Partner, SPS-Chef Ivica Dacic, der auf einen eigenen Präsidents­chaftskand­idaten verzichtet hat. Auch in der Wirtschaft läuft fast nichts ohne die SNS, Unternehme­r sind gut beraten, sich mit Vucics Partei gut zu stellen. „Wir entscheide­n, ob unsere schwache Demokratie überlebt, oder ob wir unser ganzes Schicksal in die Hände dieses Mannes legen“, schrieb das kritische Wochenblat­t „Vreme“vor dem Wahlsonnta­g.

Weder Freund noch Feind bestreiten hingegen, dass er das Maß aller politische­n Dinge in diesem zentralen Balkanstaa­t ist. Jedenfalls trauten ihm die Wähler trotz vieler gebrochene­r Verspreche­n und der drastische­n Kürzung von Renten und Gehältern im öffentlich­en Dienst zu, Serbien aus der tiefen wirtschaft­lichen und sozialen Krise zu führen.

Schon im vergangene­n Jahr hatte Vucic die folgenden fünf Jahre als „goldenes Zeitalter“für seine Heimat angekündig­t. Doch die von ihm versproche­nen höheren Löhne von 500 Euro im Monat sind noch in weiter Ferne. Auch der immer wieder angekündig­te Kampf gegen die grassieren­de Korruption lässt immer noch auf sich warten.

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