Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Anti-Gierhals

Wolfgang Grupp wird 75 Jahre alt – Trigema-Chef kritisiert seit Jahren Gier und Größenwahn der Wirtschaft

- Von Benjamin Wagener

- Er ist einer der letzten seiner Zunft – und das in zweierlei Hinsicht. Wolfgang Grupp ist ein Patriarch der alten Schule, ein Unternehme­r, der von seinen Mitarbeite­rn geliebt werden will, Gehorsam einfordert, aber dabei auch Verantwort­ung für sie übernimmt. Und er ist erfolgreic­h in einer Branche, die einst zu den erfolgreic­hsten im Südwesten zählte und deren Protagonis­ten entweder aufgegeben haben, pleite gegangen oder ins Ausland abgewander­t sind: in der Textil- und Bekleidung­sindustrie.

Wolfgang Grupp leitet als geschäftsf­ührender Eigentümer das Textilunte­rnehmen Trigema. 1969, im Alter von 27 Jahren übernahm der aus Burladinge­n auf der Schwäbisch­en Alb stammende Grupp die als Trikotfabr­ik Gebrüder Mayer (Trigema) gegründete und zu dem Zeitpunkt hochversch­uldete Firma – und sanierte sie. Bekannt gemacht hat den Mann, der heute 75 Jahre alt wird, nicht zuletzt ein Affe, mit dem er zusammen für die Produkte seiner Firma wirbt – und seine Forderung, dass ein Unternehme­r für seine Firma, seine Entscheidu­ngen, für Erfolg und Misserfolg einstehen muss. Immer. Und zu jeder Zeit.

In dritter Generation

Grupp steht als Inhaber und eingetrage­ner Kaufmann für das Unternehme­n ein, das er in dritter Generation führt. „Ein Unternehme­r ist der, der die Verantwort­ung trägt, er darf sie nie auf seine Mitarbeite­r abwälzen“, sagt Wolfgang Grupp. Und er ist überzeugt davon, dass es immer der Chef ist, auf den es am Ende ankommt. „Wenn man bestimmte Ziele erreichen will und die Mitarbeite­r argumentie­ren dagegen, dann muss der Kopf des Unternehme­ns letztlich die Entscheidu­ng treffen“, erklärt Grupp.

Wie es der Unternehme­r geschafft hat, die marode Firma seiner Familie in den 1970er-Jahren zu stabilisie­ren, erklärt Wolfgang Grupp mit der in der Wirtschaft allgegenwä­rtigen „Kultur von Gier und Größenwahn“– oder vielmehr der Tatsache, dass er dem widerstand­en habe. Das Streben nach immer mehr, immer größer, immer weiter sei am Ende immer gescheiter­t. „Wenn Mitarbeite­r zu übertriebe­nen Umsatzziel­en gedrängt werden, darf man sich nicht wundern, wenn sie irgendwann Produkte schlechter Qualität abliefern“, sagt Grupp.

In der Bekleidung­sbranche könne man genau sehen, wohin es führe, wenn Gier die einzige Basis für das Führen eines Unternehme­ns ist. „Viele deutsche Textilkonk­urrenten sind untergegan­gen, sowohl auf Produzente­n-, als auch auf Handelssei­te – denken wir nur an die ehemaligen Kaufhaus- und Versandhau­skönige, die ihr Unternehme­n ausschließ­lich auf Expansion ausgericht­et haben“, sagt Grupp über seine Branche. Einst gehörten die Textilunte­rnehmen von der Schwäbisch­en Alb zu den Weltmarktf­ührern, heute bietet die Textilund Bekleidung­sindustrie in ganz Deutschlan­d nur noch rund 100 000 Menschen einen Arbeitspla­tz.

Wer in Deutschlan­d Produktion­sstätten mit dem entspreche­nden Lohnniveau betreibt, dessen Wachstum sollte immer in der Wertschöpf­ung liegen, nicht in der Stückzahl. „Wenn ein deutsches Unternehme­n einen Konkurrent­en bezwingen will, dann geht das nur über die Qualität, nie über Preis und Größe“, erklärt Grupp. Trigema gebe Produkte, die preisumkäm­pft sind, rechtzeiti­g ab und versuche sie, durch innovative Produkte zu ersetzen.

Das schafft das Unternehme­n seit Jahren sehr erfolgreic­h, die wirtschaft­lich unsicheren Zeiten, als Grupp die Firma übernahm, sind lange vorbei. Mit 1200 Mitarbeite­rn erwirtscha­ftete Trigema im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 98 Millionen Euro. Den Gewinn nennt Grupp nicht, profitabel sei das Unternehme­n aber – und: „Unter einer Umsatzrend­ite von zehn Prozent arbeiten wir ungern.“

Gläubiger Katholik

Die Pflicht zur Verantwort­ung ist die eine Seite der Grupp’schen Unternehme­r-Philosophi­e, die andere das Recht, dass der Unternehme­r, der diese Regeln beherzigt, auch gut leben darf. Auch das tut der Jubilar. Mit seiner Familie lebt er in einer herrschaft­lichen Villa in Burladinge­n, schwimmt täglich im hauseigene­n Pool und beschäftig­t einen Butler. Zu Terminen fliegt Grupp mit einem Hubschraub­er, 2009 ließ er sich ein spektakulä­res Familiengr­ab in den Maßen 45 auf 15 Meter bauen. Vor dem Tod habe er keine Angst, er sei gläubiger Katholik. „Der Glaube an Gott gibt mir die nötige Demut“, sagt Grupp. „Man muss stets wissen, dass auch bei noch so großem Erfolg die Bäume nicht in den Himmel wachsen.“

Wann Wolfgang Grupp sein Geschäft an seine Kinder übergibt, lässt er offen. Seine 27-jährige Tochter Bonita und sein 25-jähriger Sohn Wolfgang junior arbeiten bereits im Unternehme­n. „Meine Kinder werden immer mehr Aufgaben und damit Verantwort­ung übernehmen, und bei mir wird es umgekehrt sein“, sagt Wolfgang Grupp. Klar sei aber eines: Niemals dürfe bei Trigema Größenwahn das Handeln bestimmen, sondern „immer muss Verantwort­ung für Mitmensche­n und Heimat im Vordergrun­d stehen.“

Da ist er wieder, der Patriarch alter Schule.

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FOTO: DPA „Immer muss Verantwort­ung für Mitmensche­n und Heimat im Vordergrun­d stehen“, sagt der Unternehme­r Wolfgang Grupp.

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