Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Geschäftsführer ohne Geschäft
Im Schlecker-Prozess sagt ein Manager der Firma von Meike und Lars aus – viel Macht hatte er nicht
- Er konnte einem fast leid tun. Auf dem Papier war er einer der beiden mächtigsten Manager des Unternehmens LDG. Gemeinsam mit seinem Co-Geschäftsführer führte der gebürtige Schweriner den Dienstleister, der für die Drogeriekette Schlecker die Logistik übernahm und vom Stammsitz Ehingen (Alb-DonauKreis) aus die 19 Regionallager und Onlinekunden mit Paketen voller Shampoo, Waschmittel und Deo belieferte.
In der Realität hatte der heute 31Jährige allerdings nicht viel zu sagen. Er durfte Dienstpläne schreiben und ab und an mal einen Servicevertrag mit einer Reparaturfirma neu aushandeln. Die entscheidenden Aufgaben, die in der Regel zum Kerngeschäft eines Geschäftsführers gehörten, wie Kostenkalkulationen, Vertragsgespräche, Budgetplanung übernahmen andere – und zwar fast immer Manager aus dem Hause des einzigen Kunden: der Drogeriemarktkette Schlecker mit ihrem Filialen- und Onlinegeschäft.
Im Prozess gegen Anton Schlecker und seine Familie, in dem am Montag einer der beiden LDG-Geschäftsführer als Zeuge aussagte, spielt der Logistikdienstleister eine entscheidende Rolle. Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Chef des vor fünf Jahren untergegangenen Unternehmens vor, kurz vor der Insolvenz mehr als 25 Millionen Euro beiseitegeschafft zu haben. Allein 16 Millionen sollen dem Zugriff der Gläubiger entzogen worden sein, indem Anton Schlecker sie durch überteuerte Verträge mit LDG an seine Kinder Lars und Meike verschob, die als Gesellschafter hinter dem Logistikunternehmen standen. Hinzu kommen mehrere Darlehen über insgesamt mehr als 50 Millionen Euro, die die Kinder ihrem Vater über die LDG gewährt haben sollen. Der Verdacht: Die Summe war kein echter Kredit, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung, die privat an den Vater weitergereicht wurde. Als Schlecker dann Insolvenz anmelden musste, schrieben die Kinder das Darlehen ab.
In seinen Aussagen zeichnete der frühere LPG-Geschäftsführer das Bild eines zentral durchregierten Drogeriekonzerns – mit einem ganz und gar nicht eigenständigen Logistikanhängsel. So wollte Richter Roderich Martis von dem früheren Schlecker-Lehrling, der im Alter von 25 Jahren die Geschäftsführung der LDG übernommen hatte, wissen, ob er am Jahresabschluss 2010 mitgearbeitet habe, der immerhin mit „Geschäftsführung LDG“unterzeichnet gewesen sei. „Mir sagt das schon etwas, aber ich habe das nicht erstellt“, sagte der Manager, der heute in Südhessen lebt und arbeitet. Die verantwortliche Stelle: die Finanz- und Steuerabteilung von Schlecker.
Es war eine Geschäftsführung ohne Macht, ohne Einfluss und ohne Gestaltungsmöglichkeiten, immer wieder verwies der Manager auf die Fachabteilungen im Drogeriekonzern. Die Kontrolle der Zahlungsströme und die Buchhaltung der LPG? Machte das Finanz- und Rechnungswesen von Schlecker. Die Freigabe für die Einstellung von Mitarbeitern? Kam von der Personalabteilung von Schlecker. Die Verträge mit dem einzigen Kunden Schlecker? „Damit hatte ich nichts zu tun“, sagte der Manager. Die Kreditverträge zwischen Schlecker und LDG? „Von denen habe ich gar nichts mitbekommen“, erklärte der Zeuge.
Vor allem habe der frühere LDGGeschäftsführer die Höhe der Löhne „einfach so übernommen“. Die Firma mit ihren 500 Mitarbeitern stellte laut den im Gericht vorgestellten Akten Stundensätze zwischen 28,50 und 30 Euro der Drogeriekette in Rechnung und machte damit Gewinne mit Umsatzrenditen von bis zu 45 Prozent. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Beleg dafür, dass Geld über die LDG aus dem Unternehmen des Vaters herausgezogen und an die Kinder verschoben wurde.
Nach Schätzung des Zeugen hätte ein Stundensatz von etwa 14,50 Euro ausgereicht, um die Kosten der LDG zu decken. Auf die Frage, ob ihm die Höhe der in Rechnung gestellten Kosten nicht gewundert habe, sagte der 31-Jährige: „So konkret habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht." Viele Gedanken über die Zahlungsströme konnte sich der Manager auch nicht machen. Zugriff auf die Geschäftskonten der LDG hatte er nämlich nicht.