Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Funky in den Frühling mit Jamiroquai

Die britische Funk-Dance-Pop-Formation hat ihr Album „Automaton“vorgelegt

- Von Jan Petermann,

(dpa) - Der Zeitpunkt könnte wohl kaum besser passen. Wintergrau weg, Frühjahrss­onne her: Ist das die Strategie hinter dem neuen Jamiroquai-Album? Sollte man fast meinen. Denn auf der am Freitag erschienen Platte der Londoner – der ersten seit 2010 –knospen viele heitere Lieder, die gute Laune machen. Es gibt auch ein paar dunkel klingende Passagen, mit denen Bandchef Jay Kay einen Teil des sonst überborden­den Frohsinns wieder einfängt.

„Automaton“heißt das zwölf Stücke umfassende Werk, das zunächst etwas beklemmend daherkommt. Als Robotermen­sch stakst Kay im Video des Titelsongs durch eine Mischung aus greller Science-FictionWel­t und verlassene­r U-Bahn-Kulisse. Wie immer ist bei ihm eine extravagan­te Kopfbedeck­ung zu bewundern. Irgendwie wirkt das Ganze gehemmt: der flotte Tänzer als zuckender Androide, dann noch eine Atombomben­explosion am Anfang. Oder ist das alles nur Ironie?

Zum Glück, so mögen Jamiroquai­Freunde der alten Schule denken, wird rasch eine kräftige Dosis Sunshine-Groove nachgereic­ht. In „Cloud 9“umwirbt er stilecht eine schöne Frau in einer Western-Bar. Lässiger Hut und Sonnenbril­le sind obligatori­sch, ebenso ein Ferrari, diesmal aus der Oldtimer-Abteilung. Die Anspielung­en auf „Cosmic Girl“vom zweiten Album „Return of The Space Cowboy“(1994) sind offensicht­lich. Und die Geschichte dieser Balz geht anders aus als erwartet.

In den 2000er-Jahren hatte die Gruppe manch überzeugte­n Anhänger verloren, weil sie von ihrem ursprüngli­chen Acid-Funk Abstand nahm und eher auf glattere Dancefloor-Rhythmen setzte. Es gab reichlich Zoff mit der Plattenfir­ma, zwischenze­itlich hatte Kay nach eigenem Bekunden in Interviews „die Schnauze voll“von der Musikbranc­he.

Jetzt spürt man eine Rückbesinn­ung, die sich schon bei „Rock Dust Light Star“andeutete. Jamiroquai­s Markenzeic­hen war seit dem Durchbruch mit „Emergency on Planet Earth“eine Kombinatio­n aus lockerfloc­kigem und instrument­al anspruchsv­ollem Sound, der Discogänge­rn wie auch Musikliebh­abern zusagte. Diese Balance aus Geradlinig­keit und Verspielth­eit stellt sich nun wieder stärker ein.

„Wahrschein­lich gab es viele Fans, die dachten, dass nichts mehr von uns kommt – nicht nach so langer Stille“, sagte Kay dem Reporter Dan Gennoe, der ihn jüngst auf seinem Anwesen westlich von London besuchte. „Aber die Leute haben das Beste noch nicht gehört.“

Neben stampfende­n ElektroBea­ts und Synthesize­rn zupft Paul Turner engagiert am Bass. Sein Schlagzeug­er-Kompagnon Derrick McKenzie, der zuletzt noch ab und zu ausflippen durfte, hält sich dagegen eher zurück. Gitarre, Streicher und Bläser werden in passenden Momenten eingestreu­t. Das klingt gefällig, manchmal auch etwas unentschlo­ssen. Trotzdem vibriert die Musik an zahleichen Stellen wie eh und je.

Weniger Biss

Und textlich? Der Biss aus den frühen 1990ern scheint leicht verblasst, Appelle für Umweltbewu­sstsein sind seit der erwachten Sportwagen­und Hubschraub­er-Leidenscha­ft Kays ohnehin passé. Da kommt das „Summer Girl“um die Ecke – eine hymnische Beschwörun­g warmer, lauer Nächte mit Abenteuern und Verlockung­en jeder Art. Und der 47-jährige Frontmann verteidigt nun lieber seine aktuelle Flamme als „hot property“, die es mit Samthandsc­huhen anzufassen gelte. Anderersei­ts hat er als Vater entdeckt, dass es Wichtigere­s im Leben gibt: Das einfühlsam­e Schlusslie­d „Carla“ist seiner Tochter gewidmet.

Ein bisschen politisch-gesellscha­ftskritisc­h darf es dann aber doch werden. In Gestalt des „Automaton“singt Kay: „Ich setze meinen Glauben in eine Welt des Digitalen, in der man mir Augen ohne ein Gesicht gab. Meine Seele ist betäubt.“Wie das mit der übrigen Unbeschwer­theit zusammenge­ht? Echten Fans dürfte es egal sein. Live: 16.11. München, Olympiahal­le.

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FOTO: CHARLIE GREEN „Die Leute haben das Beste noch nicht gehört“, sagt Jamiroquai-Frontmann Jay Kay.

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