Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Farbenfrohen Momente setzen sich durch
Judith Holofernes kommt mit ihrem neuen Album nach Stuttgart und Freiburg
(dpa) - Mit ihrem zweiten Soloalbum „Ich bin das Chaos“ist Judith Holofernes im Frühjahr auf Tour. Sie selbst sieht sich als klassische Chaotin, habe aber im Laufe der Zeit viel gelernt. „Als Kind habe ich meine Schultasche im Bus vergessen, bin mit einem Schuh aus dem Ferienlager zurückgekommen und habe mir beim Essen mit der Gabel im Gesicht rumgespielt.“
Verspielt kommen auch die elf Albumtracks daher. Mal unterhaltsamkomisch, mal melancholisch-traurig. Chaotisch halt. „Wir sind alle in unterschiedlicher Ausprägung verliebt ins Chaos. Wir gucken gerne den Batman-Bösewichten dabei zu, wie sie Städte in Anarchie versenken. Auf der anderen Seite verbringen wir große Teile unseres Lebens mit dem Versuch, das Chaos zu beherrschen mit teilweise niedlich-inadäquaten Techniken.“
Aber so chaotisch, wie „Ich bin das Chaos“erscheint, ist es beim genauen Hinhören gar nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist ein Chaos mit Struktur. Angeführt vom wohl tragendsten Stück der Platte, „Der letzte Optimist“. Eine melancholische Ballade als Album-Opener? Mutig. Aber der Mut zahlt sich aus. Denn so ist der Effekt umso größer, hört man den zweiten Track, die wunderbare Komposition „Oder an die Freude“, die direkt im Ohr bleibt und: Freude macht. Angelehnt an Beethovens Klassiker zählt Holofernes per mahnendem Chor auf, was wir im Leben alles machen, anstatt uns einfach nur der Freude hinzugeben: „Tochter, mach' dein Physikum.“
Analoge und digitale Welt
Temporeich geht es weiter, mit der Geschichte von „Charlotte Atlas“, die versucht, die Welt auf ihren Schultern zu tragen, und „Analogpunk“. Hier tobt sich die Wortakrobatin Holofernes aus und stellt die digitale der analogen Welt gegenüber: „Ich schreib' ein Blog, du ein Buch. Ich mag Chats, du Besuch. Ich kenn' die Log-Ins, du Kenny Loggins. Ich Plug-Ins, du Bilbo Baggins.“
An der Reihenfolge der Songs hat die Frontfrau von Wir sind Helden wochenlang getüftelt, sieht die Cineastin das Album doch als eine Art Episodenfilm. „Geht die Geschichte gut oder schlecht aus? Lässt man die Leute mit einem niederschmetternden Gefühl zurück?“Nein. Das tut Holofernes nicht. Das gefühlsbetonte und persönliche Album ist von der Grundanmutung in einigen Songs zwar eher grau. Die farbenfrohen Seiten des Lebens überstrahlen aber alles, so wie in den Gute-LauneSongs „Unverschämtes Glück“oder „Ich bin das Chaos“. Live: 28.4. Stuttgart, Im Wizemann; 29.4. Freiburg, Jazzhaus.