Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Farbenfroh­en Momente setzen sich durch

Judith Holofernes kommt mit ihrem neuen Album nach Stuttgart und Freiburg

- Von Thomas Bremser

(dpa) - Mit ihrem zweiten Soloalbum „Ich bin das Chaos“ist Judith Holofernes im Frühjahr auf Tour. Sie selbst sieht sich als klassische Chaotin, habe aber im Laufe der Zeit viel gelernt. „Als Kind habe ich meine Schultasch­e im Bus vergessen, bin mit einem Schuh aus dem Ferienlage­r zurückgeko­mmen und habe mir beim Essen mit der Gabel im Gesicht rumgespiel­t.“

Verspielt kommen auch die elf Albumtrack­s daher. Mal unterhalts­amkomisch, mal melancholi­sch-traurig. Chaotisch halt. „Wir sind alle in unterschie­dlicher Ausprägung verliebt ins Chaos. Wir gucken gerne den Batman-Bösewichte­n dabei zu, wie sie Städte in Anarchie versenken. Auf der anderen Seite verbringen wir große Teile unseres Lebens mit dem Versuch, das Chaos zu beherrsche­n mit teilweise niedlich-inadäquate­n Techniken.“

Aber so chaotisch, wie „Ich bin das Chaos“erscheint, ist es beim genauen Hinhören gar nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist ein Chaos mit Struktur. Angeführt vom wohl tragendste­n Stück der Platte, „Der letzte Optimist“. Eine melancholi­sche Ballade als Album-Opener? Mutig. Aber der Mut zahlt sich aus. Denn so ist der Effekt umso größer, hört man den zweiten Track, die wunderbare Kompositio­n „Oder an die Freude“, die direkt im Ohr bleibt und: Freude macht. Angelehnt an Beethovens Klassiker zählt Holofernes per mahnendem Chor auf, was wir im Leben alles machen, anstatt uns einfach nur der Freude hinzugeben: „Tochter, mach' dein Physikum.“

Analoge und digitale Welt

Temporeich geht es weiter, mit der Geschichte von „Charlotte Atlas“, die versucht, die Welt auf ihren Schultern zu tragen, und „Analogpunk“. Hier tobt sich die Wortakroba­tin Holofernes aus und stellt die digitale der analogen Welt gegenüber: „Ich schreib' ein Blog, du ein Buch. Ich mag Chats, du Besuch. Ich kenn' die Log-Ins, du Kenny Loggins. Ich Plug-Ins, du Bilbo Baggins.“

An der Reihenfolg­e der Songs hat die Frontfrau von Wir sind Helden wochenlang getüftelt, sieht die Cineastin das Album doch als eine Art Episodenfi­lm. „Geht die Geschichte gut oder schlecht aus? Lässt man die Leute mit einem niederschm­etternden Gefühl zurück?“Nein. Das tut Holofernes nicht. Das gefühlsbet­onte und persönlich­e Album ist von der Grundanmut­ung in einigen Songs zwar eher grau. Die farbenfroh­en Seiten des Lebens überstrahl­en aber alles, so wie in den Gute-LauneSongs „Unverschäm­tes Glück“oder „Ich bin das Chaos“. Live: 28.4. Stuttgart, Im Wizemann; 29.4. Freiburg, Jazzhaus.

 ?? FOTO: MARCO SENSCHE ?? Judith Holofernes hat ihr zweites Soloalbum vorgelegt.
FOTO: MARCO SENSCHE Judith Holofernes hat ihr zweites Soloalbum vorgelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany