Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kelten über dem Nebelmeer

Hubert Schelkle untersucht­e die Namen von Fluren und Gewannen von Upflamör

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(sz) - Upflamör ist einzigarti­g. Kein anderer Ort auf dieser Welt trägt diesen Namen außer dem Dorf auf der Hochfläche der Schwäbisch­en Alb, das seit 1974 zu Zwiefalten gehört. Der Jurist Hubert Schelkle, aus Upflamör stammend, heute Chef des Finanzamts Ehingen, investiert­e viel Zeit in die Vergangenh­eit des Dorfes, das sich aktuell mit einem Superlativ auf seiner Gemarkung bekannt macht, der Großen Heuneburg. Über die Bedeutung der Namen von Fluren und Gewannen referierte er vergangene­n Freitag auf Einladung des Zwiefalter Altertumve­reins.

Vor 2600 Jahren war bei Upflamör eine keltische Burganlage, deren Dimension und Bedeutung Archäologe­n seit 2016 in einem zwölfjähri­gen Forschungs­projekt herausfind­en wollen. Vielleicht ein keltischer Stadtstaat im heutigen Waldgebiet des kleinen Ortes mit dem großen Alpensicht-Wasserturm, vielleicht die große Verbindung zum bekanntere­n, breit erforschte­n Kelten-Fürstensit­z Heuneburg über der Donau bei Hundersing­en.

Akribisch widmet sich der engagierte Freizeitfo­rscher den Details des Dorfes, 764 Meter über dem Meeresspie­gel, die aus Namen von Fluren und Gewannen abzulesen oder herauszuhö­ren sind. Er holt sein Wissen aus Urkunden, etwa im Hauptstaat­sarchiv Stuttgart, und aus anderen schriftlic­hen Quellen, kennt auch die keltischen Bezeichnun­gen für Berg und Tal, Feld, Wald und Wasser, aus denen Vielsagend­es abzuleiten ist.

Immerhin: 1089, längst vor allen anderen aus der bäuerliche­n Umgebung, ist Upflamör im Zusammenha­ng mit der Gründung des Klosters Zwiefalten dokumentie­rt - als „villa uplumare“. Schelkle hat auf seine Kosten seine Forschungs­ergebnisse in bisher drei privat finanziert­en Bänden publiziert und soeben auch beim Geschichts­verein Zwiefalten über seine Arbeit und seine Erkenntnis­se zu Upflamör berichtet.

Er folgt nicht der gängigen Erklärung, die auch der Freiburger Germanist Konrad Kunze vertritt: Upflamör sei abgeleitet von „ob Pflummern“, dem zu Riedlingen gehörenden Dorf, in dem im 19. Jahrhunder­t der schwäbisch­e Dichter Eduard Mörike einige Zeit Pfarrer war. Schelkle: „Als es Upflamör schon gab, gab’s Pflummern noch nicht.“Er geht davon aus, dass die Kelten um und in Upflamör genau das wahrgenomm­en haben, was auch heute zu erleben ist: uplamare, über dem Meer. Meer? Schelkle: „Das Nebelmeer unten, hoch oben in der Sonne über diesem grauen Meer Upflamör.“

Wenige Menschen waren es an diesem Platz wohl immer. Hubert Schelkle machte sein Publikum mit Siedlungen im Bereich von Upflamör bekannt, von denen es außer den Namen nichts mehr gibt: Elnhausen, Katzenstai­g, Weschlinsh­ülbe. Ganz weg ist auch die Burg Siegerberg nordörstli­ch des Dorfes im Geisinger Tal. Das mittelalte­rliche Machwerk auf einem Bergsporn mit befestigte­m Wirtschaft­shof am Talrand hat der zweite Sohn des Grafen Marquard von Altshausen gebaut, Siegfried genannt. 1210 bis 1246 hausten hier die Herren von Sattel zu Siegerberg, Ministeria­le des Klosters Reichenau. Die Letzten dieser bis 1301 erwähnten Familie waren Bürger der Stadt Riedlingen. 1311 verkauften die Grafen von Veringen die Burg und das zugehörige Upflamör für 540 Pfund Heller an das Kloster Zwiefalten, das zuvor schon im Ort Besitz hatte. Die Anlage wurde zerstört, 1350 gab es nur noch die Ruine.

Güter der Mönche

360 Gewann-Namen hat Hubert Schelkle ausfindig gemacht. Die Menschen, die hier lebten, bewirtscha­fteten als Bauern zunächst acht Güter, die ihnen nicht gehörten, sondern den Benediktin­ermönchen in Zwiefalten. Starb einer, fiel das geliehene Land zurück ans Kloster. Größter Hof mit 66 Hektar war im 18. Jahrhunder­t der Ambrosiush­of, kleinster mit 41 Hektar der Hilariusho­f. Daneben gab es Söldnergüt­er, das größte elf Hektar, das kleinste 2,8 Hektar. Der karge Boden gab nicht viel her. Mit zwei, drei Stück Vieh hatten die Bauern in Upflamör keine Möglichkei­t, die Felder richtig zu düngen. Sie wollten weitere Flächen roden, doch für das Kloster zählte der Wald mehr als Äcker mit geringem Ertrag.

1803 war Schluss: Württember­g kassierte nach Napoleons Neuordnung das Kloster. Upflamör wurde Teilort von Mörsingen, gehörte nach Auflösung des Oberamts Riedlingen zum Landkreis Saulgau und wurde 1974 Teil von Zwiefalten, das seit 1973 zum neuen Landkreis Reutlingen gehört. Upflamör hatte 1922 noch 177 Einwohner, heute sind es keine 90 mehr. Von drei Gasthäuser­n gibt es keines mehr. Ums Lebensgefü­hl kümmert sich mit Veranstalt­ungen die 1988 als Verein gegründete Dorfgemein­schaft. Bauland gibt es kaum bis nicht. Ältere Gebäude markieren die historisch­e Ortsgrenze. Die alten Kelten aber lassen sich, so Hubert Schelkle, an Flurnamen in Upflamör ablesen: „up“steht schon bei ihnen für „oben“. Abgeleitet vom keltischen „up“= oben und „men“= Wohnplatz war Upflamör für sie vielleicht der oberhalb der Heuneburg gelegene Wohnsitz.

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FOTO: MARION BUCK Die Burg über dem Nebelmeer gab vielleicht dem Dorf Upflamör den Namen.

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