Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hundert Millionen Euro – oder nicht
Der VfB Stuttgart entscheidet am 1. Juni über eine Ausgliederung der Profiabteilung
(dpa/SID/sz) - Am 1. Juni kennt der VfB Stuttgart seine Zukunft. An diesem Datum ist klar, ob der Traditionsverein nächste Saison wieder in der Fußballbundesliga spielt – und die Mitglieder stimmen bei einer außerordentlichen Versammlung in der Mercedes-Benz Arena über die von der Vereinsführung angestrebte Ausgliederung einer Fußball-AG ab. 100 Millionen Euro erhofft sich Präsident Wolfgang Dietrich durch den Verkauf von Anteilen an Investoren wie die Daimler AG.
„Da spielen die Mitglieder das wichtigste Spiel in der Vereinsgeschichte“, sagt Finanzvorstand Stefan Heim. „Der 1. Juni ist der wichtigste Meilenstein, den man sich vorstellen kann. Er ist viel wichtiger als kurzfristige Erfolge oder Misserfolge“, betont Präsident Wolfgang Dietrich. Die Erlöse aus dem Verkauf werde man „zu 100 Prozent in den Sport investieren“. Er wolle eine Entscheidung „so schnell wie möglich, so oder so“, sagt Dietrich. „Ich will nicht noch ein weiteres Jahr herumeiern. Diese dauernde Ungewissheit lähmt den Verein. Der Zeitpunkt ist jetzt genau richtig. Und aus meiner Sicht gibt es gar keine Alternative zur Ausgliederung der Profiabteilung, weil wir sonst in Zukunft im deutschen Profifußball keine führende Rolle mehr spielen können.“Alle 50 000 Mitglieder sind stimmberechtigt, 75 Prozent müssen den Plänen zustimmen.
Die Ausgliederung, so die Clubführung, werde den VfB „endlich wieder in die Lage versetzen, zu agieren, statt nur zu reagieren. Es ist ein Plan, der Investitionen in die Zukunft möglich macht, von denen der VfB noch lange profitieren wird. Der schrittweise zu mehr Erfolg und damit zu dauerhaft höheren Einnahmen in allen Bereichen führt. Aber vor allem eins im Sinn hat: einen sportlich deutlich erfolgreicheren VfB mit einer beispielhaften Jugendarbeit und einer lebendigen Mitglieder- und Fankultur.“
Das Votum, daran lassen Dietrich und Heim keine Zweifel, wird stattfinden – unabhängig vom Abschneiden in der 2. Liga. Um das Vertrauen zu bekommen, ist Erfolg auf dem Rasen für die Arbeit der Verantwortlichen aber von immenser Bedeutung.
Spiele wie das 3:3 gegen Dresden am Sonntag gefallen den Bossen deswegen überhaupt nicht – trotz 0:3Rückstand und großem Spektakel. Trainer Hannes Wolf sah danach nicht aus, als könne er sich über die rückeroberte Tabellenführung freuen. Zu verärgert war der 35-Jährige über das Verhalten einiger Spieler. „Qualität bedeutet auch, gegen den Ball zu sprinten. Das haben wir einfach nicht gemacht“, schimpfte er. „Das sollten wir sofort lernen. Auch die jungen Spieler in unseren Reihen, die auch ihr erstes Jahr in Deutschland haben.“
Nur dank des besseren Torverhältnisses stehen die Schwaben vor Braunschweig und Union Berlin. Alle haben 50 Punkte, Hannover auf Rang vier 49. Verliert der VfB am Mittwoch bei 1860 München, stünde er im Derby gegen den KSC am Sonntag massiv unter Druck. Nicht nur mit Blick auf die Ausgliederung ist es eine außerordentlich wichtige Woche für den VfB.
Stimmen genug Mitglieder dafür, sollen in den kommenden Jahren maximal 24,9 Prozent der Anteile an der AG an Investoren verkauft werden. Mit 75,1 Prozent habe der Verein damit stets das Sagen. „Es gibt niemanden, der uns sagt, wo es lang geht“, betont Dietrich. Bestätigte Verhandlungen gibt es mit der Daimler AG. Der Autobauer will dem Vernehmen nach maximal die Hälfte aller zu verkaufenden Anteile übernehmen. Insgesamt wünschen sich die Verantwortlichen vier oder fünf Investoren, um keine Abhängigkeiten zu schaffen.
Im ersten Schritt will Stuttgart bei einem Aufstieg zwölf Prozent der Anteile verkaufen. Sollte der Verein ein weiteres Jahr in der 2. Liga spielen, sollen zunächst nur fünf Prozent an Investoren gehen. Ein Weiterverkauf der Anteile soll ohne Mitsprache des VfB nicht möglich sein.
Zusammen mit Wirtschaftsprüfern hat der VfB den derzeitigen Vereinswert auf 300 Millionen Euro taxiert. „Unter dieser Bewertung werden wir keine Aktien an der AG veräußern“, sagte Dietrich. Bislang war stets die Rede von einem Vereinswert von 200 bis 250 Millionen Euro gewesen. „Wir sind das Thema mit neuem Selbstvertrauen angegangen“, begründete Dietrich die Neueinschätzung. Nach dem Verkauf der Anteile soll sich der Wert auf 400 Millionen Euro gesteigert haben – und Stuttgart, so der Plan, wieder Erstligist sein.