Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Dass die USA bereit sind, militärisch vorzugehen, ist auch ein Signal an Russland“
- Nach dem Militärschlag der USA gegen Syrien sollte die EU Druck auf Kremlchef Wladimir Putin ausüben, seinen Verbündeten Baschar al-Assad fallen zu lassen. Das forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (Foto: Rasemann) im Gespräch mit Alexei Makartsev.
Welche Konsequenzen hat der US-Militärschlag für die syrische Regierung und die Gegner des Präsidenten Assad?
Das hängt davon ab, ob dies der Wiedereinstieg der USA in den Nahen und Mittleren Osten ist oder nur eine einmalige Aktion, um zu zeigen, dass eine rote Linie überschritten wurde. Das wird bald klar werden. Wir wissen heute, dass der Militärschlag auf geheimdienstlichen Informationen basiert. Nach diesen Informationen wurde der Giftgasangriff nicht durch den „Islamischen Staat“, sondern die syrische Regierung verübt. Das bedeutet, Präsident Assad hat sein Wort gebrochen, nachdem er behauptet hatte, keine Chemiewaffen mehr zu haben.
Rechtfertigt dies in Ihren Augen einen Luftangriff ?
Ja. Offenbar wollten die Amerikaner damit zunächst testen, welche Reaktionen es geben würde. Dafür spricht die Auswahl des Ziels, das von den strategisch wichtigen Positionen weit entfernt liegt. Dass die USA neben der Diplomatie jetzt bereit sind, militärisch vorzugehen, ist auch ein Signal an Russland.
Geht es Trump wirklich um den Frieden in Syrien oder will der US-Präsident jetzt nur seine Härte und Entschlossenheit unter Beweis stellen?
Beides ist richtig. Die Amerikaner haben den Fehler gemacht, sich aus der Region zurückzuziehen, und erkennen jetzt, dass sie ein Vakuum hinterlassen haben, das von Iran und Russland ausgefüllt wurde. Der Westen kann es nicht zulassen, dass Staaten mit eigenen Hegemonial- interessen in der Region dominieren, während der Westen durch die Zunahme von Flüchtlingen einen hohen Preis dafür bezahlt. Aber es trifft sicher auch zu, dass Trump, der unter innenpolitischem Druck steht, seine Handlungsfähigkeit zeigen will.
Es sah so aus, als würde sich das Verhältnis zwischen Russland und den USA normalisieren. Droht nach den verärgerten Reaktionen aus Moskau eine neue Eiszeit?
Das glaube ich nicht. So verärgert reagiert Moskau immer, wenn unerwartete Entwicklungen eintreten. Die russische Führung müsste erkannt haben, dass sie mit ihrer Unterstützung Assads in Syrien nicht weiterkommt und dass die Weltöffentlichkeit sich gegen diese Strategie stellt. Uns Europäern fällt in dieser Situation eine wichtige Rolle zu: Druck auf Russland auszuüben, damit Assad ins Exil geht und den Weg für eine Übergangsregierung freiräumt. Dann würden die USA merken, dass Europa bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
Könnte die Lage in Syrien eskalieren, nachdem Russland jetzt das Abkommen mit den USA über den Austausch von Flugdaten im syrischen Luftraum außer Kraft gesetzt hat?
Nein, denn die technischen Mittel zur Luftraumüberwachung sind ja alle vorhanden. Binnen wenigen Tagen werden sich Russland und die USA sicher diplomatisch verständigen.
Wie kann man neue Gräueltaten im Syrienkrieg wie den Einsatz von chemischen Waffen verhindern?
Der Weltsicherheitsrat ist heute gelähmt durch die Vetomächte, insbesondere durch China und Russland. Hier sollte die UN-Vollversammlung aktiv werden. Sie sollte sich für eine Untersuchung des Chemiewaffeneinsatzes einsetzen und auf Informationen drängen, wer für den Giftgasangriff wirklich verantwortlich ist. Wenn sich die Informationen der USGeheimdienste bestätigen, ist Assad nicht mehr zu halten.