Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alles geben und brennen
Der VfB Stuttgart bemüht vor dem Derby gegen Schlusslicht KSC alte Binsenweisheiten
- Fünf Spiele ohne Sieg und eine Abwehr, die zuweilen ihren Namen nicht v erdient, machen Schwabens Fußballstolz derzeit arg zu schaffen. Wer bringt dem VfB Stuttgart das Verteidigen bei, der in der Endphase dieser Zweitligasaison so wirkt wie einst in der Frühphase unter Alexander Zorniger? Vielleicht die Landespolizei, glauben Zyniker. Vor dem Derby gegen den Erzri valen Karlsruher SC am Sonntag (13.30 Uhr) werden in Stuttgart erneut Wasserwerfer st ationiert, um befür chtete Ausschreitungen zu verhindern. 1000 Polizisten rücken an gegen die 600 erwarteten Hooligans, zur Verteidigung seiner Hauptstadt bekommt das Land Verstärkung aus Hessen und Rheinland-Pfalz. „Gewaltbereite werden im und rund um das Stadion keine Freude haben“, kündigt Ralf Kusterer an, der Landesvorsitzende der P olizeigewerkschaft.
Vielleicht nicht unbedingt einen Wasserwerfer im Strafraum, aber Verstärkung aus Hessen oder der Pfalz, einen Charly Körbel aus Frankfurt oder einen Hans-Peter Briegel womöglich, die würde VfB-Trainer Hannes Wolf bestimmt nehmen, um das eigene Tor besser zu sichern. Trotz seines zweiten Tabellenplatzes macht der VfB zuletzt eher einen instabilen Eindruck. „Mit allem, was geht, unser Tor zu verteidigen“, das will Wolf künftig sehen, „nicht nur die, die in der Nähe sind“, müssten „Richtung eigenes Tor sprinten, sondern alle“. Helfen dabei soll am Sonntag ein früherer KSC-Profi: Matthias Zimmermann dür fte Anto Grgic (Oberschenkelverhärtung) ersetzen und neben Ebenezer Ofori, einem der wenigen Lichtblicke beim 1:1 bei 1860 München, auf der Doppelsechs starten. Talent Jérôme Onguéné, der 1 9-jährige Winterzugang aus Frankreich, muss wohl weiter auf sein Debüt warten, noch vertraut Wolf seinen Innenverteidigern Timo Baumgartl und Marcin Kaminski.
Die Parolen, die man vor dem Duell gegen das Schlusslicht aus Karlsruhe hört, klingen derweil, als pfeife da einer im Wald, um seine Angst zu vertreiben. „Weniger als alles geben, ist nicht erlaubt“, sagt Wolf, oder auch: „Wichtig ist, dass wir elf Spieler haben, die brennen.“Auch der verbannte Weltmeister Kevin Großkreutz, der sich nach seinem Fasnetsausflug ins Rotlichtmilieu mit VfB-Jugendlichen derzeit in Dortmund fithält, meldete sich am Freitag zu Wort, klang aber auch nicht, als habe er einenDoktor in Philosophie g emacht: „Kämp ft, grätscht, z erreißt euch. Derb y ist mehr als ein Spiel“, t witterte Großkreutz. „Ich drücke die Daumen und bin mit den Gedanken bei euch. Ihr schafft das. Euer Freund.“Einen wehrhaften Weltmeister auf dem Feld, den könnte der VfB eher brauchen als gute Wünsche – Benjamin Pavard und Jean Zimmer, Großkreutz’ Nachfolger auf der rechten Seite, enttäuschen bisher.
Meister soll Abstieg verhindern
Der KSC würde mit Stuttgart und seinen Luxusproblemen derweil gerne tauschen, die Entlassung von Trainer Mirko Slomka am Dienstag war ein letzter Hilfeschrei des F ast-Absteigers. Sieben Spieltage vor Ende haben die Badener, denen vor zwei Jahren nur eine Minute zum Erstliga-Aufstieg fehlte, bereits sieben Punkte Rückstand aufs rettende Ufer – und einen neuen Trainer, dessen Nachname angesichts der Lage wie Hohn klingt: Marc-Patrick Meister. Der 36-Jährige war Wolfs Kollege in Dortmund, 2013 bis 2015 trainierte er dort die U19, Wolf die U17. Zuletzt betreute Meister die U17 des KSC, immerhin hat er ambitionierte Ziele. Er wünsche sich ein Spiel auf Augenhöhe, „dass man sich vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle fragt, welche Mannschaft ist im oberen und welche im unteren Tabellendrittel“, sagte Meister.
Fehlen werden ihm die Stammkräfte Enrico Valentini (gesperrt) und Grischa Prömel (Ödem im Wadenbein), besonders für Letzteren dürfte das bitter sein: Der 22-Jährige, der in Rio mit der U21 Olympiasilber holte, kam in Stuttgart-Bad Cannstatt zur Welt, ehe ihn die verschlungenen Pfade des Fußballs (Stuttgarter Kickers, Hoffenheim II) ins Badener Land führten. In der ausverkauften Mercedes-Arena einzulaufen, das hätte dem Cannstatter Jungen sicher Spaß gemacht.