Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mit dem Trabant in die Felshöhle
Eigentlich, so heißt es ja dieser Tage immer wieder, fehlt es allerorten in Europa an Fachkräften. Wahrscheinlich waren sie auch in Österreich nicht sonderlich zuversichtlich, als sie eine eher ungewöhnliche Stelle ausgeschrieben haben: die eines Eremiten. Die Gemeinde Saalfelden hat für die mehr als 350 Jahre alte Einsiedelei am Palfen einen neuen Bewohner gesucht. Und dann das: Beim Stadtamt gingen über 50 Bewerbungen ein!
Dabei hatte der letzte Bewohner der Eremitage, ein kahlrasierter Wiener Pfarrer namens Thomas Fieglmüller, gerade mal eine Saison durchgehalten. Die dauert von April bis November, weil die Klause im Winter unbewohnbar ist. Die karge Unterkunft, eine 1664 ausgebaute natürliche Felshöhle auf 1000 Metern Höhe, verlangt vom Bewohner durchaus Selbstdisziplin. Es gibt weder Strom noch fließend Wasser. Außerdem ist es nicht so, dass man nur allein dahockt und in die Ferne blickt. Der Eremit ist zugleich Seelsorger. Die Klause wird tagtäglich von Einheimischen, Gästen und Pilgern besucht. Verehrt wird dort das Bildnis des Heiligen Georgs, des Schutzpatrons der Tiere. Erst am Abend kehrt tatsächlich Ruhe ein.
Man darf somit gespannt sein, wie sich der neue Eremit schlägt: Der Mann ist 58 Jahre alt, geschieden, aus Belgien und heißt Stan Vanuytrecht. Vielleicht helfen dem geweihten Diakon ja seine Vergangenheit und sein Auto. Einst war er Artillerieoffizer und ist somit im Überlebenskampf geschult. Außerdem fährt er einen Trabant. Die technischen Gerätschaften in der Höhle dürften ihm vorkommen wie Hightech. (jos)