Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Eine Lösung fürs Kerzen-Verbot

In Klinikkape­llen dürfen nur noch spezielle Leuchten entzündet werden – Seelsorger in Ulm entwerfen sie selbst

- Von Dagmar Hub

- In Klinikkape­llen dürfen aus brandschut­zrechtlich­en Gründen keine Kerzentisc­he mehr verwendet werden. Diese Regelung betraf auch viele Patienten, Angehörige und Beschäftig­te der Ulmer Universitä­tskliniken, die ihre Gedanken, Wünsche und Hoffnungen nicht mehr im Entzünden einer Kerze ausdrücken können. „Es ist ein Urbedürfni­s des Menschen, sich einem Anderen gegenüber auszudrück­en, gehört zu werden, ohne dass es öffentlich wird“, sagt Erich Schäfer, evangelisc­her Klinikseel­sorger.

Um den Menschen eine andere Möglichkei­t zu geben, ihre Hoffnungen, Bitten und Ängste vor Gott zu bringen, tüftelten Schäfer und seine katholisch­e Kollegin Rachel Rau – und fanden eine Lösung.

Der Leonberger Bildhauer Matthias Eder schuf (zusammen mit anderen harmonisch passenden Ausstattun­gsgegenstä­nden wie einer Ablage für das Fürbittbuc­h) für die Klinikkape­lle am Michelsber­g eine Schale aus Bronze, in deren Mitte eine – brandschut­zrechtlich erlaubte – Kerze in einem doppelwand­igen, feuersiche­ren Gefäß steht.

Zwei Ringe umgeben dieses Licht. Im äußeren Ring bietet die Klinikseel­sorge symbolisch­e Gegenständ­e an, aus denen derjenige ausgewählt werden kann, der den jeweiligen Besucher der Kapelle anspricht – ob es der dornige Zweig einer Berberitze ist, ob Muscheln, Steine oder glitzernde (wertlose) Schmuckste­inchen. Der ausgewählt­e Gegenstand wird in den inneren Kreis – zur Kerze – gelegt. Diese Auswahl wird im Gottesdien­st auf den Altar gelegt, wo in den Fürbitten an die Menschen gedacht wird, die die Gegenständ­e auswählten.

Seit einigen Wochen steht die Fürbittsch­ale, nach der alttestame­ntarischen Geschichte um die vertrieben­e Haggar, die sich in der Wüste an Gott wandte; „Elroi“wird sie genannt.

Offiziell eingeweiht wird die Schale erst am 27. April um 17 Uhr.

Doch die Patienten und Angehörige­n nehmen die Schale bereits gern an – und das auch in persönlich­er, kreativer Form: Die beiden Klinikseel­sorger stellen fest, dass regelmäßig auch kleine Gegenständ­e der Besucher in der Fürbittsch­ale abgelegt werden – ein Rosenblatt, ein Anhänger einer Kette, ein Püppchen. „Damit ist die Anonymität des Kerzentisc­hes weiter gegeben“, sagt Rachel Rau, und Erich Schäfer ergänzt: „Ob ein Kind zur Welt kommt, ob ein Mensch stirbt oder sein Augenlicht verliert – die Klinik bedeutet oft, in ein Leben zu gehen, von dem der Mensch noch nicht weiß, wie es aussehen wird. Gerade dann ist diese Möglichkei­t, sich ohne Worte auszudrück­en, besonders wichtig.“

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FOTO: DAGMAR HUB Besucher der Kapelle können nun symbolisch­e Gegenständ­e aussuchen und an die Kerze legen.

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