Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Recycling soll ausgeweitet werden
Neues Verpackungsgesetz ab 2019 – Umweltschützern gehen Regelungen nicht weit genug
- Es geht um gelbe Säcke und Tonnen, um Bratpfannen oder Kleiderbügel, um Mehrweg-Schilder – und um viel Geld: Nach jahrelangem Hin und Her hat der Bundesrat am Freitag ein neues Verpackungsgesetz verabschiedet, das am 1. Januar 2019 in Kraft treten wird. Der Abfall in Deutschland soll künftig stärker wiederverwertet werden und nicht in der Müllverbrennungsanlage landen. Zudem sollen Verpackungsabfälle stärker vermieden werden.
Konkret bedeutet dies, dass künftig für die dualen Systeme von Industrie und Handel höhere Recyclingquoten gelten: für Kunststoffverpackungen steigt die Quote bis zum Jahr 2022 von derzeit 36 Prozent auf 63 Prozent, bei Metall, Papier und Glas auf jeweils 90 Prozent. Außerdem gilt für Getränkeverpackungen dann eine Mehrwegquote in Höhe von 70 Prozent, aktuell sind es 45 Prozent – mit sinkender Tendenz. Geschäfte müssen in Zukunft auf jene Regale hinweisen, in denen Mehrwegflaschen stehen. Damit möchte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Verbraucher dazu bringen, mehr Mehrweg zu kaufen.
Jedoch sind im Gesetz keine Sanktionen geplant. Umweltverbände fordern seit Jahren eine Steuer oder Abgabe auf Einwegverpackungen. „Einen Anreiz Abfall zu vermeiden, gibt das Gesetz nicht“, sagte Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Freitag zur „Schwäbischen Zeitung“.
Auch bei der privaten Müllentsorgung wird sich nichts ändern. Ob die Kunststoffe im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne gesammelt werden, wird weiter in den jeweiligen Kommunen entschieden. Dasselbe gilt für die Einführung von Wertstofftonnen. Eigentlich wollte die Regierung diese Tonnen bundesweit einführen, um den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne zu ersetzen. Verpackungen und anderer Abfall aus Wertstoffen, etwa Kleiderbügel oder Geschirr, sollten überall zusammen entsorgt werden können. Das scheiterte am Streit zwischen kommunalen und privaten Entsorgern. Laut dem Verband der deutschen Entsorgungswirtschaft bringt die Sammlung jährlich rund eine Milliarde Euro Umsatz.
- Mehr als 200 Kilogramm Verpackungsmüll produziert jeder Bundesbürger jedes Jahr. Im EU-Vergleich belegt Deutschland damit einen Spitzenplatz – vor Frankreich, Italien oder Dänemark. Damit Abfälle aus Privathaushalten besser recycelt und reduziert werden, greift ab 2019 ein neues Gesetz.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht von einem „Sieg der Vernunft“. Jahrelang stritten sich Bund und Länder um die Vorgaben zur Entsorgung von Verpackungsmüll. Bis zuletzt gab es Widerstand. Der Umweltausschuss der Länderkammer erwog sogar, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Nachdem sich auch die Bundesumweltministerin nochmals für das Gesetz einsetzte, passierte die Vorlage am Freitag den Bundesrat.
Hendricks will die Müllberge verringern und setzt auf recyclingfähigere Verpackungen. Das Gesetz sieht beispielsweise höhere RecyclingQuoten für die im dualen System erfassten Verpackungen vor. Ab 2022 soll die Quote für Kunststoffmüll von heute 36 Prozent auf 63 Prozent steigen. Bei Metallen, Papier und Glas soll sie bis dahin sogar bei 90 Prozent liegen. Die höheren Quoten müssen die Privatunternehmen leisten, die Verpackungsmüll sammeln.
Im Getränkemarkt wird den Verbrauchern wohl am ehesten auffallen, dass sich die Gesetzeslage verändert hat. Denn die Einzelhändler müssen dafür sorgen, dass am Regal gekennzeichnet wird, wo Mehrweg- oder Einweggetränke stehen. Laut Bundesumweltministerium werden zurzeit 45 Prozent der Getränke in Mehrwegverpackungen abgefüllt, vor allem in Glas und PET-Flaschen. Mit dem Verpackungsgesetz soll die Quote auf 70 Prozent erhöht werden.
Außerdem wird Pfand für Getränkeverpackungen erhoben, die bisher pfandfrei waren. Zum Beispiel auf Apfelsaftschorle oder andere Fruchtund Gemüsesäfte mit Kohlensäure.
Auch bei der privaten Müllentsorgung wird sich erst einmal nichts ändern. Werden die Kunststoffe im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne gesammelt? Wann und wie oft wird der Müll abgeholt? Wie Abfall gesammelt wird, wird in den Kommunen entschieden. Das bleibt auch so. Dasselbe gilt für die Einführung von sogenannten Wertstofftonnen. Dabei geht es um die Entsorgung von Müll, der keine Verpackung ist, aber aus ähnlichem Material hergestellt wurde. Also kaputte Kleiderbügel aus Plastik, Spielzeug, Bratpfannen, Geschirr. Eine bundesweit einheitliche Regelung für eine Wertstofftonne war zwar immer wieder im Gespräch, konnte aber nicht durchgesetzt werden. Hintergrund ist vor allem das lukrative Geschäft mit den Wertstoffen.
Laut dem Verband der deutschen Entsorgungswirtschaft bringt die Sammlung der Stoffe jedes Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz ein. Das wollen die Privatfirmen nicht den Kommunen überlassen. Der Plan, bundesweit Wertstofftonnen einzuführen, damit Verpackungen und anderer Abfall aus Wertstoffen gemeinsam entsorgt wird, scheiterte am Streit zwischen kommunalen und privaten Unternehmen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sich mit dem neuen Gesetz auch mehr Kommunen freiwillig für die Einführung einer Wertstofftonne einsetzen werden. Eine Weiterentwicklung der Vorgaben ist also nicht ausgeschlossen.
Das Verpackungsgesetz ist ein hart umkämpfter Kompromiss. Aber reduziert es wenigstens die Müllberge? Umweltschützer bezweifeln dies und hätten sich schärfere Regeln gewünscht. „Einen Anreiz Abfall zu vermeiden, gibt das Gesetz nicht“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Keine eindeutigen Vorgaben
Er rechnet damit, dass Einweggetränke zunehmen werden. „Es ist nicht gelungen, hier eindeutige Vorgaben zu schaffen.“Die Kennzeichnung von Mehrweg- oder Einweggetränken am Supermarktregal reicht ihm nicht aus. Nach wie vor wird für den Verbraucher nur schwer zu erkennen sein, welche Vorgabe für die Produkte gilt.
Positiv sieht Buschmann die Steigerung der Recycling-Quoten. „Aber wir brauchen mehr Aufklärung darüber, wie richtig getrennt werden kann“, sagt der Referent für Technischen Umweltschutz. Denn noch immer landen in den jeweiligen Tonnen für Pappe, Plastikverpackung oder Biomüllabfälle, die dort nicht hingehören.