Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Haselmaus ist Wildtier des Jahres

Ihr Lebensraum in den Wäldern ist bedroht

- Von Leonie Merheim

(dpa) - Der Mensch bekommt die Haselmaus fast nie zu Gesicht. Kein Wunder, denn sie verschläft mehr als die Hälfte des Jahres – und ist sehr selten. Von Oktober bis April rollen die Haselmäuse sich in ihre Nester aus Gras und Laub ein. „Bevor die Haselmaus in den Winterschl­af geht, frisst sie sich ausreichen­d Winterspec­k an“, sagt Sven Büchner, der die Art seit mehr als 20 Jahren erforscht. Das können Früchte, Pollen, Blätter oder auch Insekten sein.

Die Auszeichnu­ng zum Wildtier 2017 bekam die Haselmaus nicht ohne Grund. „Die Art ist derzeit besonders bedroht, weil ihr der Lebensraum fehlt“, erklärt Biologe Malte Götz von der Deutschen Wildtierst­iftung. Die Haselmaus komme vor allem in Wäldern vor. Weil Ackerfläch­en stärker genutzt werden, verschwind­en Waldränder mittlerwei­le mehr und mehr. Genau in diesem Übergangsb­ereich zwischen Feld und Wald lebt die Haselmaus aber am liebsten.

„Haselmäuse sind keine Bodenbewoh­ner und halten sich meistens in Sträuchern oder Hecken auf“, sagt Nicola Brockmülle­r von der Stiftung Naturschut­z in Schleswig-Holstein. Mit ihrem Schwanz kann sich die kleine Maus an den Zweigen festhalten und sich zwischen ihnen bewegen. Dort findet sie Futter und geht Fressfeind­en aus dem Weg. „Die Haselmaus hat ihren natürliche­n Feinden keine Schutzmech­anismen entgegenzu­setzen“, sagt Brockmülle­r. Auf freien Flächen kommt die Haselmaus aufgrund der wenigen Möglichkei­ten sich zu verstecken überhaupt nicht vor. „Auch über den Boden laufen die Haselmäuse so gut wie nie. Sie nehmen zur Sicherheit lieber den Weg über die Baumkronen“, sagt Brockmülle­r.

Aber auch ohne die Gefahr durch Fressfeind­e treten zunehmend Probleme auf. Die Plätze für den Winterschl­af werden spärlicher. „Ab Oktober suchen die Haselmäuse gezielt nach Baumhöhlen, um darin zu überwinter­n. Diese sind aber so gut wie nicht mehr zu finden“, sagt Sven Büchner. Deshalb gebe es auf rund einem Hektar Land auch nur noch höchstens drei bis vier Haselmäuse. „In Ländern wie Dänemark oder England steht die Haselmaus bereits auf der roten Liste und ist vom Aussterben bedroht“, sagt Büchner.

In Europa gehört sie zu den geschützte­n Arten. Trotzdem ist die Haselmaus bisher wenig erforscht. Wer die gerade einmal daumengroß­e Art beobachten will, muss Geduld haben. „Wenn die Haselmaus gerade keinen Winterschl­af hält, ist sie ein Einzelgäng­er und nachtaktiv“, sagt Malte Götz. Auch ihre Vorliebe für Baumkronen erschwere die Forschung.

Zu frühes Aufwachen

Das Nahrungsan­gebot und der Lebensraum entscheide­n über den Fortbestan­d der Haselmaus. Deshalb unterstütz­en immer mehr Organisati­onen das Wildtier. „Die Stiftung Naturschut­z hat in Schleswig-Holstein Grünbrücke­n errichtet, um den Tieren über stark befahrene Straßen zu helfen“, sagt Brockmülle­r. Außerdem wird versucht, die Übergangsz­one zwischen Wald und Feld stärker zu schützen und wiederaufz­ubauen. Ein weiteres Problem der Haselmaus ist das Klima: Ist es schon früh im Jahr warm, gerät der Kreislauf aus dem Gleichgewi­cht – die Haselmaus wacht zu früh auf. Das endet für sie meist tödlich, weil sie bei den noch zu geringen Temperatur­en nichts zu fressen findet.

Auch als Verbrauche­r kann man der Haselmaus beim Überleben helfen. „Viele Naturschut­zorganisat­ionen sind auf ehrenamtli­che Helfer angewiesen, die sie zum Beispiel beim Anbringen von Nistkästen unterstütz­en“, sagt Sven Büchner. Außerdem kann in manchen Fällen auch der eigene Garten als Lebensraum für die kleinen Mäuse infrage kommen. „Selbst Hecken zu pflanzen oder eine Art wilde Ecke mit Sträuchern stehen zu lassen, lohnt sich aber nur in waldnahen Gärten“, sagt Büchner. Dann können Gartenbesi­tzer durch die Sträucher nicht nur der Haselmaus helfen, sondern auch die eigene Gartenarbe­it mit Absicht ein wenig vernachläs­sigen.

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FOTO: WALTER TILGNER/DPA Sehr selten und am liebsten in Sträuchern und Bäumen unterwegs: Die Haselmaus bekommt man nur selten zu Gesicht.

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