Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
280 VfB-Fans pilgern zur Podiumsdiskussion der SZ
Stuttgarts Präsident Wolfgang Dietrich spricht im Businesspark Ehingen Donau über die Zukunft des Vereins
(aw/eis/tg) - In einer Reihe von Versammlungen für Fans und Mitglieder des VfB Stuttgart wirbt VfB-Präsident Wolfgang Dietrich seit Monaten für die von der Vereinsspitze vorgeschlagene Ausgliederung der Profifußballsparte und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Bei der Veranstaltung der „Schwäbischen Zeitung“im Businesspark Ehingen Donau stieß er vor mehr als 280 Zuhörern auf viele offene Ohren. Doch es gab auch kritische Stimmen.
Dietrichs Konzept sieht vor, mit der Ausgliederung und Umwandlung in eine AG die Voraussetzungen zu schaffen, um finanzstarke Partner ins Boot zu holen – einer, der Autobauer Daimler, steht bereit, in einer ersten Tranche nach einem Aufstieg in die Bundesliga für mehr als 40 Millionen Euro rund elf Prozent der Anteile zu übernehmen. Später will der Verein, der Mehrheitseigentümer mit mindestens 75,1 Prozent bleiben will, weitere Anteile verkaufen. Insgesamt sollen damit in den nächsten Jahren rund 100 Millionen Euro aufs VfB-Konto fließen, die dem Verein helfen sollen, seine Zukunft zu sichern – mit Investitionen in Spieler, aber vor allem auch in die Infrastruktur und das Nachwuchsleistungszentrum, um das es schon besser bestellt war als heute.
„Beste Jugendarbeit in Europa“
Michael Bochtler, Trainer des Landesligisten Ehingen-Süd, entschied sich Anfang der 1990er-Jahre als A-Jugendlicher trotz anderer Angebote für einen Wechsel von Ulm nach Stuttgart, „weil die Jugendarbeit extrem gut und mit die beste war in Deutschland und Europa“. Damals sei der Verein in der Entwicklung sehr weit vorn gewesen und habe Maßstäbe gesetzt. „Das ging irgendwann verloren.“Bochtler befürwortet daher die Pläne der Ausgliederung, wenn das frische Kapital in die Jugend, in Nachwuchstrainer, in die Infrastruktur und Plätze investiert werde. „Da bin ich zu 100 Prozent dabei.“
Bernd Martin stimmte dem zu und erinnerte daran, dass die VfB-Jugend seit Jahren nicht mehr Meister geworden sei. „Das ist ein Problem aufgrund von Fehlern, die zu irgendeinem Zeitpunkt gemacht worden sind.“Daher müsse es jemanden geben, „der vorausgeht und Visionen hat – das ist Wolfgang Dietrich.“
In der Diskussion nach Dietrichs Vortrag meldete sich ein Fan aus Sigmaringen zu Wort, der „positiv gestimmt“sei, denn: „Veränderungen brauchen Geld.“Doch er wünsche sich Kontinuität und eine Strategie. „Mit dem Geld muss vernünftig umgegangen werden.“
Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann, Mitglied im VfBFanclub „Vision Zukunft“, war sehr angetan von der Veranstaltung der „Schwäbischen Zeitung“: „Dass so viele Menschen nach Ehingen gekommen sind, zeigt die tiefe Verwurzlung des VfB in der Region. Der Präsident hat zudem deutlich klargemacht, dass die Ausgliederung der richtige Weg ohne Risiko ist. Dietrich ist ein authentischer Präsident.“
Für Felix Schelkle, Fußballmanager des VfL Munderkingen und VfBFan, war schon vor der Veranstaltung klar, „dass die Ausgliederung kommen muss“. Die Ausführungen von Dietrich hätten ihn in seiner Meinung nur noch bestätigt. Der VfB „hat gar keine andere Chance, wenn er auf Jahre hinaus erfolgreich und keine Fahrstuhlmannschaft sein will“, so Schelkle. In Wolfgang Dietrich setzt er großes Vertrauen („Er ist ein bodenständiger Mann, ein Schaffer“) und auch den möglichen Anteilseigner Daimler hält er für die richtige Wahl. „Seit 15 Jahren sage ich: Wie kann ein Verein nur so einen Nachbarn haben und ihn nicht ins Boot holen?“Dass der VfB und das Unternehmen an einem Strang ziehen werden, steht für Schelkle außer Frage. „Daimler will auch nichts anderes als Erfolg.“
Zweifel an Partner Daimler
Andere Fans sehen die Pläne von Dietrich dagegen kritisch. Ein Vertreter des Biberacher VfB-Fanclubs „Mad Beavers“bemängelte fehlende Transparenz und zweifelte an Daimler als strategischem Partner, weil das Unternehmen im Fall des verpassten Aufstiegs in die Bundesliga statt elf Prozent für rund 40 Millionen Euro fünf Prozent für zehn Millionen erhalten solle („Die Hälfte der Anteile zu einem Viertel des Preises – das passt für mich nicht“). Zudem warf er die Frage auf, wer neben Daimler weitere Anteile übernehmen könnte. „Es kann jeder sein“, entgegnete Dietrich, der seine Pläne gegen jeden Kritikpunkt verteidigte. „Aber wir werden nichts tun, womit wir die Mitglieder verprellen.“
Dennoch: Eine gewisse Skepsis bleibt. Das Mitglied der Mad Beavers gab einen Einblick in die Stimmungslage bei den Fanclubs zwei Wochen vor der Abstimmung über die Ausgliederung in Stuttgart, die nach Worten von Vereinschef Dietrich Voraussetzung und Grundlage dafür sein soll, dass der VfB in einigen Jahren wieder zu den Top-Clubs in Deutschland gehört. Wenn man sich umhöre in den Fanclubs, so der Biberacher, seien kaum Fans dabei, für die der Verein unbedingt wieder ins obere Drittel der Bundesliga müsse. Vielen reiche ein „stabiler Mittelfeldplatz“.
Der Ehinger VfB-Fan Volker Jäger, der in den vergangenen Jahren kaum ein Spiel verpasst hat, sieht die Ausgliederung kritisch, war aber dennoch von der Ansprache des Präsidenten „positiv überrascht“. Mehr über die Zukunft des VfB Stuttgart und die Diskussion in Ehingen lesen Sie heute auf Seite 28. Eine Bildergalerie finden Sie auf schwäbische.de