Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein „Plopp“, das Kulturen verbindet
Indische Studenten der FH Weingarten organisieren Cricket-Turnier zur Integration – Abgewandelte Regeln sorgen für kurze Spiele
- Statt des normalerweise prägenden „Klack“, dringt lediglich ein „Plopp“über die Wiese, kaum hörbar für diejenigen, die mehr als fünf Meter entfernt stehen. Doch ist der Effekt derselbe: Sobald der Ball vom Schläger getroffen wird und weit über das Feld segelt, sind alle Blicke nur auf die kleine Kugel gerichtet. Schafft er es bis über die Feldbegrenzung und sichert der Mannschaft die maximalen Punkte oder wird er innerhalb der Begrenzung von einem Spieler des gegnerischen Teams gefangen? Doch welcher Fall auch eintritt, die Freude ist groß, stürmen die Teamkameraden zusammen, freuen sich, klatschen sich ab.
Der Sport, der für so viele breite Lächeln sorgt und trotzdem in der Region recht unbekannt ist, heißt Cricket. Und die Spieler, die sich hier so freuen, sind an diesem Tag überwiegend indische und pakistanische Studenten der FH Weingarten – eine bunt zusammengesetzte Multikulti-Truppe, die ihren Volkssport allen Interessierten näherbringen und gleichzeitig die Integration vorantreiben will. „Auf der Welt hat Cricket etwa 2,5 Milliarden Fans, nach Fußball ist es der zweitbeliebteste Sport der Welt. Was läge da näher, als durch unseren Sport den Kontakt herzustellen, immerhin kommen wir alle aus Cricket-Nationen“, so Organisator Ronak Gabani, der gleichzeitig Vizepräsident des Council of Indian Students der Hochschule ist.
Und damit das auch gelingt, spielen immer drei Spieler aus Nicht-Cricket-Nationen mit drei Teammitgliedern, die den Sport bereits meist seit der Kindheit ausüben, zusammen. In zwei Staffeln mit sechs Mannschaften wird der Turniersieger ermittelt. Die Mannschaften haben Namen wie „Weingarten Warriors“, „OCC Rangers“oder auch „Bangladeshi Tigers“und bezeugen nicht nur dadurch ihre Internationalität. „Die Teilnehmer kommen aus zwölf verschiedenen Ländern“, erzählt Gabani, während er auf das Treiben seiner Gefährten blickt und über das Verhältnis zum Sport spricht. „Wir haben einfach eine starke Verbindung zu dem Sport. Das ist, als wenn hier einem kleinen Kind ein Fußball zugerollt wird. Deshalb spiele ich eigentlich schon Cricket, seit ich geboren bin“, so Gabani.
Für die Zuschauer wie Ramona Herrmann stehen hingegen, was Regelfragen angeht, noch oft Fragezeichen. „Sie wurden mir zwar erklärt, aber ich finde sie nach wie vor kompliziert. Aber darum geht es ja auch nicht. Es ist toll, dass die Teams gemischt sind. Zudem ist nichts politisch geworden“, so die Koordinatorin für internationale Vollzeitstudenten. Dass es so fair zugeht, liegt auch an Ahmed Abbas und seinen Kollegen. Der Mitbegründer des Oberschwaben-Cricket-Clubs, der die Ausrüstung stellt, ist an diesem Tag Schiedsrichter und begeistert von dem Niveau und auch dem ganzen Drumherum. „Das Level ist ziemlich hoch. Dass die Studenten das auf die Beine gestellt haben, ist super, dadurch wird der Sport bekannter. Wir haben 2011 angefangen und sowas noch nicht erlebt.“
Genauso wenig wie Lewin Schaudt. Allerdings feiert der Student an diesem Tag auch seine CricketPremiere. „Mein Mitbewohner hat mich dazu bewogen. Wir wollten eigentlich schon seit fast zwei Jahren spielen, haben es aber nie geschafft. Das hier war eine super Gelegenheit“, so der Deutsche, der Cricket als vielschichtig, aber nicht so von Athletik geprägt wie Handball oder Fußball beschreibt. Der Faszination ist er selbst allerdings noch nicht erlegen. „Wenn man den Spielern zuhört, ist das schon Wahnsinn. Die könnten wahrscheinlich stundenlang über Taktik reden“, so Schaudt. Kommuniziert wird an diesem Tag meist auf Englisch, auch wenn die meisten nicht deutschstämmigen die Sprache gut beherrschen würden. „Aber englisch geht schneller.“Vor allem gefällt Schaudt, dass die langjährigen Spieler sehr auf die Neulinge eingehen. „Die Spieler aus Nicht-Cricket-Nationen schlagen zuerst und es wird dann extra langsam geworfen, damit wir auch treffen.“
Allgemein seien die Grundlagen schnell erfasst, auch wenn er zum Beispiel einen Ball überflüssigerweise außerhalb der Begrenzung fängt, was zur Erheiterung der Regelkundigen führt. Doch genau das ist es, was das Cricket-Turnier an diesen Tagen bewirken soll. Zusammen sein, sich kennenlernen, Sport treiben und Spaß haben steht im Vordergrund – nicht der Turniersieg, obwohl die Teams trotzdem nicht ohne Ernst agieren. Daher ist Schaudt auch froh, dass eine abgewandelte, einfache Form gespielt wird. „Ein richtiges Spiel, je nach Variante, kann ja schon einmal bis zu 40 Stunden an fünf Tagen hintereinander gehen. So etwas ist für mich einfach nicht vorstellbar.“Weniger Schläge und ein sehr kleines Feld verkürzen das Spiel an diesem Tag. Und auch der Cricketball – eigentlich hart, fest und aus Kork – ist durch eine schwere, weiche Filzkugel ersetzt worden. Daher auch das „Plopp“, statt des „Klack“beim Schlag, das allerdings für genauso viel Spaß zu sorgen scheint, und an diesem Tag seinen Zweck erfüllt: Kulturen zu verbinden.