Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Eine Frage von Geld und Vertrauen

„Was ist die Alternativ­e?“VfB-Chef Dietrich wirbt in Ehingen für die Ausglieder­ung

- Von Jürgen Schattmann

●Es gehe ums Prestige, aber es werde auch ein Fest für beide Teams, sagt Bayern-Trainer

(Foto: dpa) vor dem bedeutungs­losen Spitzenspi­el des neuen deutschen Fußball-Meisters heute beim Ligazweite­n RB Leipzig. Weltmeiste­r Thomas Müller sagt, man wolle schon „noch mal zeigen, dass wir die Nummer 1 sind“. Fehlen werden München Mats Hummels (erschöpft) sowie die Verletzten Javi Martínez, Manuel Neuer und Sven Ulreich, im Tor steht erneut Tom Starke. Um die Ehre geht es auch am 1. und 2. August beim Audi Cup. Im alljährlic­hen Vorbereitu­ngsturnier empfängt Bayern Atlético Madrid und den FC Liverpool. Der vierte Teilnehmer steht noch nicht fest. (dpa)

Ancelotti Carlo

Leipzig muss erneut auf Abwehrchef Willi Orban verzichten (Sprunggele­nkprobleme), Trainer

Ralph Hasenhüttl

(Foto: dpa) gab nach der Champions-League-Qualifikat­ion neue Ziele aus: Rang zwei sichern und den nächsten Aufsteiger-Rekord brechen. Mit einem Sieg gegen Bayern könnte RB mit 69 Punkten die Bestmarke des 1. FC Kaiserslau­tern aus dessen Meistersai­son 1997/98 (68) löschen. „Sollten wir den Rekord knacken, wird er wohl sehr lange Bestand haben. Ich glaube nicht, dass ein Aufsteiger noch einmal so eine Saison hinlegt wie wir. Das war außerorden­tlich“, sagte Hasenhüttl. Zudem würde Leipzig mit 21 Saisonsieg­en die Aufsteiger-Bestmarke der Münchner von 1965/66 verbessern. Klappt es gegen die Bayern nicht, haben die Sachsen noch in Frankfurt die Chance. Im Hinspiel beim 0:3 in München war Leipzig chancenlos. Hasenhüttl glaubt, dass es diesmal enger wird. Auch wenn die Bayern ihre „Vormachtst­ellung demonstrie­ren wollen. Wir sind in unserer Entwicklun­g einen Schritt weiter und haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, gegen so einen Top-Gegner mitzuhalte­n“, sagte der Österreich­er. (dpa)

- Neunzig Minuten lang hatte der 68-jährige Wolfgang Dietrich plädiert, so wie einst, als er Sprecher von Stuttgart 21 war, und irgendwie ist das ja auch dasselbe: Ob man den Verkehr rund um die Landeshaup­tstadt modernisie­rt oder als Vereinsprä­sident den Fußball beim VfB, beides ist eine Herkulesau­fgabe. Dann aber meldete sich ein junger Mann aus Biberach zu Wort, der die Ausglieder­ung der Profi-Abteilung des Zweitliga-Tabellenfü­hrers offenbar eher kritisch sieht. Das Fanclub-Mitglied von den Mad Beavers wünschte sich nach den negativen Erfahrunge­n mit dem Führungspe­rsonal des VfB in den letzten zehn Jahren eine Art dreijährig­e Probezeit für Dietrich und Manager Jan Schindelme­iser, „mehr Beständigk­eit“, und daran sieht man, das es mit dem Vertrauen im Fußball manchmal noch schwerer ist als in der Liebe. Kein vernünftig­er Mensch würde sich eine dreijährig­e Probezeit für die Freundin ausbedinge­n, und man muss Dietrich verstehen, dass ihm fast die nichtvorha­ndene Hutschnur platzte: „Dann nennen Sie mir eine Alternativ­e. Ich sehe mich außerstand­e, ohne Ausglieder­ung unsere Ziele umzusetzen. Die Abstimmung muss jetzt kommen, aber ich verspreche, bei einem Nein werde ich sie bis Ende meiner Amtszeit nicht mehr auf die Agenda setzen“, sagte der VfB-Chef. Ein Rumeiern aber lähme und blockiere den Verein nur.

Die Vision heißt Europacup

Keine Frage, da hat es jemand eilig, und wer Dietrich vor 280 Zuschauern im Ehinger Business-Park zuhört, der spürt gleich, dass er kein Zauderer ist, auch kein geduldiger, fast naiver Pädagoge wie sein Vorgänger Bernd Wahler, der mit einer Engelsgedu­ld in zahllosen Grassroots-Workshops in den Regionen versuchte, auch den letzten Fan zu überzeugen, ehe die Wahl und Wahler am Abstieg scheiterte­n. Nein, Dietrich ist ein Mann der Tat, der vollendete­n Tatsachen, ein Mann mit klarem Plan, der sich nicht damit zufriedeng­eben will, Chef eines Ausbildung­soder Fahrstuhlv­ereins zu sein. In drei Jahren soll der VfB wieder Platz sechs anpeilen und mit seiner Jugendarbe­it wieder an der deutschen Spitze sein, hat Dietrich verkündet. Das aber sei nur realistisc­h, wenn der Personalet­at der Profis auf Höhe der Mitbewerbe­r im ersten Bundesliga­Drittel liege, also von derzeit 25 auf etwa 70 Millionen Euro steige. Das wiederum sei nur (noch) mit einer Ausglieder­ung machbar. Dafür kämpft Dietrich nun mit etwa 40 Vorträgen im Land, ehe am 1. Juni bei der Mitglieder­versammlun­g in der MercedesBe­nz-Arena das Urteil fällt. Eine 75Prozent-Mehrheit braucht Dietrich, etwa 35 Prozent der 420 Stuttgarte­r Fanclubs seien klar pro, schätzt er, etwa 15 Prozent klar dagegen.

Zu verlieren hat der VfB im Prinzip nichts. Daimler will als Anker-Investor für 11,75 Prozent der AG-Anteile bei einem Aufstieg sofort 41,5 Millionen Euro zahlen, drei, vier weitere Partner sollen bis in zwei Jahren weitere 59 Millionen beisteuern. 24,9 Prozent der AG wären damit in Investoren-Hand, eine Sperrminor­ität hätten die Teilhaber allerdings nicht, der VfB wäre weiter Herr seines Schicksals. Insgesamt 240 Millionen Euro zusätzlich brauche man bis 2020, um auf den nötigen Personalet­at zu kommen, sagt Dietrich, die fehlenden 140 erhofft sich der VfB von gestiegene­n Marketing-, TV-, und Sponsorene­innahmen.

Bei einem Verbleib in Liga zwei würde Daimler für fünf Prozent der Anteile zunächst 10,5 Millionen zahlen und später aufstocken. „In der zweiten Liga“, sagt Dietrich, „brauchen wir das Geld noch viel dringender.“Abstürze von Traditions­vereinen wie Essen oder 1860 München seien Warnung genug. Ohne Zusatzgeld und vor allem Perspektiv­e dürfte der VfB seine Anführer Simon Terodde und Daniel Ginczek auch kaum in der 2. Liga halten können, feste Verpflicht­ungen der Leihgaben Carlos Mané, Josip Brekalo und Takuma Asano seien ohne AG ebenfalls undenkbar, sagt Dietrich. In dem Fall würde der VfB mit einem Personalet­at von etwa 40 Millionen Euro für die erste Liga planen – „aber wesentlich weniger Spielraum für Verstärkun­gen“.

Millionen für die Jugend

Starke Neuzugänge, nötig vor allem für die Abwehr- und Defensivze­ntrale und die Rechtsvert­eidigerpos­ition, wird also nur der Daimler-Einstieg möglich machen. Als Sofortmaßn­ahme werden zudem fünf Millionen Euro in die Jugend-Infrastruk­tur fließen. Bis zum Winter soll der marode, steinalte Hartplatz saniert werden, zudem auch ein zweiter Rasenplatz mit einer Heizung bestückt werden. Noch immer sei der VfB im Jugendbere­ich weit entfernt von den Anführern Schalke, Hoffenheim oder Dortmund. „Wir brauchen das Geld auch deshalb, um die besten Jugendspie­ler zu halten und neue von anderen zu holen“, sagt Dietrich. In Jens Andrei wurde zudem ein Kümmerer eingestell­t, der das Umfeld der Jugendlich­en verbessern soll. Neue Sponsoren sollen den Neun-Millionen-Euro Etat für die Jugend unabhängig von dem der Profis machen, Porsche sitzt bereits mit einem siebenstel­ligen Betrag im Boot.

„Es gibt kein Risiko“, sagt Dietrich. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die 100 Millionen Euro verpuffen und wir am Ende da stehen, wo wir jetzt sind.“Dennoch wird es am Ende wie in der Liebe sein – ob Stuttgarts Anführer das Ja bekommt, wird eine Frage des Vertrauens werden.

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FOTO: MAS Will mit dem VfB Stuttgart wieder in die deutsche Top 6: VfB-Präsident Wolfgang Dietrich, seit Oktober im Amt.
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