Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Früher Ruhm und späte Ehre
Doppelter Erfolg: Goldener Löwe für Anne Imhof und Franz Erhard Walther
(dpa) - Kontrastreicher könnten die beiden deutschen Preisträger auf der Kunst-Biennale in Venedig kaum sein. Hier der 77 Jahre alte Konzeptkünstler Franz Erhard Walther, der mit seinen bunten Stoffwerken zwar seit Jahrzehnten eine feste Größe in der zeitgenössischen Kunst, einem größeren Publikum freilich eher unbekannt ist. Dort die 39-jährige Anne Imhof, die einst als Türsteherin jobbte und nun in schwarzen Klamotten und mit brutaler Performance-Kunst als neuer Shootingstar gefeiert wird.
Ein Geheimtipp
Franz Erhard Walther ist mit 77 Jahren zum ersten Mal zu der Kunstschau in Venedig eingeladen worden und gewann prompt den Goldenen Löwen als bester Künstler. „Das war wirklich eine Überraschung“, sagte er sichtlich bewegt. „Vielleicht gibt es Leute, die lange Zeit skeptisch gegenüber meiner Arbeit waren, die das jetzt ernst nehmen. Das könnte passieren.“Der Bäckerssohn aus Fulda ist seiner Heimat treu geblieben. Während sich die hippe Kunstszene in Berlin niedergelassen hat, arbeitet der Mann mit den grauen Haaren und dem kleinen Bäuchlein immer noch in Fulda. Während seiner langen Karriere eckte er immer wieder an. So flog er beispielsweise wegen eines Streits mit dem Professor 1961 von der Städelschule in Frankfurt am Main. Später studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf bei Karl Otto Götz – zeitgleich mit heute weitaus bekannteren Künstlern wie Gerhard Richter und Sigmar Polke.
1972 stellte er erstmals auf der Documenta aus. Selbst Marcel Duchamp wollte ihn kennenlernen, doch der französische Pate aller modernen Künstler starb, bevor es dazu kommen konnte. Walther ist in Insiderkreisen sehr bekannt, beim Publikum jedoch immer noch ein Geheimtipp. Seine Arbeiten zeichnen sich durch die Verwendung textiler Stoffe aus, in seinem Atelier wird viel genäht. Charakteristisch sind auch seine Stahl- oder Eisenplatten, die er auf den Boden legt, damit der Besucher darauf steigen kann und somit selbst zum Kunstwerk wird.
Für ihn steht im Zentrum, dass die eigene Arbeit von Anfang an Teil des Werkes ist und „die Handlung selbst Werkcharakter bekommt“, sagte er. Während sein Konzept vom „Werk als Handlung“einst Kontroversen auslöste, ist es nun integraler Bestandteil zeitgenössischer Kunst.
Als Lehrer wichtiger Künstler hat Walther spätere Generationen geprägt. Als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg waren unter anderen Martin Kippenberger, Jonathan Meese und Santiago Sierra seine Schüler.
Als Aachener Kunstpreisträger 2016 richtete Walther im Ludwig Forum im Juni eine Einzelausstellung aus. Zudem läuft derzeit eine große Schau im Madrider Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía.