Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einheimischer stellt Statuette her
Archäologe hält Vortrag über Unlinger Reiter – Grab könnte älter sein als die Heuneburg
- Derzeit ist die Ausstellung „Der Unlinger Reiter – Kelten, Pferde, Wagenlenker“im Keltenmuseum und im Freilichtmuseum zu sehen. In einem Vortrag hat Archäologe Marcus Meyer vom Landesamt für Denkmalpflege über die Ausgrabungen in Unlingen berichtet. Zahlreiche Zuhörer kamen ins Freilichtmuseum nach Hundersingen.
Im Sommer vergangenen Jahres haben Archäologen bei Unlingen im Zuge des Neubaus der B 311 drei größere keltische Grabhügel ausgegraben. Bedeutendster Fund war die Bronzestatuette eines Reiters auf einem Doppelpferd. „Was stellt es jetzt dar? Das ist das, woran wir momentan arbeiten“, berichtete Marcus Meyer in seinem Vortrag. Er teilte den Zuhörern den bisherigen Erklärungsansatz mit. Dabei handle es sich um eine Arbeitshypothese: „Wir haben es mit einem Produkt zu tun, das von einem einheimischen Handwerker hergestellt wurde. Und dieser Handwerker, der kannte Vorbilder aus dem Raum südlich der Alpen“, nannte Meyer die Hypothese. Die Archäologen vom Landesamt für Denkmalpflege stützen dies auf Vergleichsstücke, die aus dem nördlichen Mittelitalien stammen.
Suche nach Vergleichen
In seinem Vortrag machte sich Meyer zunächst auf die Suche von Vergleichsstücken aus Baden-Württemberg. Er zeigte ein Bild von Pferdedarstellungen, die aus dem Römerhügel in Ludwigsburg stammen. Auch zeigte er ein Bild von Keramikpferden aus einem Gräberfeld bei Römerstein-Zainingen und ein Bild des „Speikerner Reiterleins“, dieses Mal aus Bayern. Doch all diese Funde seien anderer Art als der Unlinger Reiter. Eine heißere Spur tut sich dagegen im südlichen Alpenraum auf. Meyer zeigte einen bronzenen Kessel mit Pferdefüßen, der aus der späten Villanovakultur, etwa 700 bis 650 vor Christus, stammt. „Das geht schon eher in die Richtung Unlinger Reiter“, verwies Marcus Meyer auf die Gestaltung der Füße des Kessels, die einen Reiter mit Pferd zeigen. Der Unlinger Reiter ist womöglich ursprünglich an einem Gefäß angebracht gewesen. Meyer zeigte das Bild einer bronzenen Urne mit verziertem Deckel, ebenfalls aus der späten Villanovakultur. Möglich sei es, dass der Unlinger Reiter an einer solchen Urne angebracht war, vermutete der Experte.
Das Geschlecht des Reiters ist unklar. Bemerkenswert ist, wie unproportional die Figur ausgeführt ist. „Der Oberarm ist sehr kurz, hingegen der Unterarm sehr lang“, sagte Meyer. Der Kopf sei sehr groß, während der gesamte Körper sehr schmal sei. „Besonders betont sind die Augen und die Nase.“Nach wie vor sei der Unlinger Reiter einzigartig, resümierte Meyer über die Bedeutung des Unlinger Reiters.
Trinkgefäße aus Keramik
Noch weitere Fundstücke kamen bei den Grabungen und später in der Werkstatt ans Tageslicht. Beispielsweise goldene Schläfenringe oder Ohrenringe, Halsringe aus Bronze, Nadelköpfe aus Gold oder Gagat, das aus fossilem Holz besteht und auch Pechkohle genannt wird.
Beeindruckend sind auch die teils großen Trinkgefäße aus Keramik. Eines der Kegelhalsgefäße besitzt eine Höhe von 47 Zentimetern und einen Bauchdurchmesser von 72 Zentimetern. „Da konnte man schon ein ganz großes Trinkgelage veranstalten“, sagte Meyer mit Humor.
„Es stellt sich die spannende Frage: Wo gehören diese Gräber hin?“, fragte Meyer. Die Qualität der Beigaben würde auf eine herausgehobene Bevölkerungsschicht, zum Beispiel Adel, hindeuten. „Die Überlegung ist, ob die Gräber zu der Siedlung auf dem Bussen gehören“, sagte Meyer. „Wir wissen, dass auf dem Bussen auf jeden Fall eine keltische Siedlung bestanden hat.“
Spannend an den Ausgrabungen in Unlingen sei besonders, dass das Grab mit dem Unlinger Reiter möglicherweise noch älter sei als die Heuneburg. Der Gedanke ist daher laut Meyer, dass es bereits vor der Heuneburg einen Ortsadel in der Region womöglich gab. Dieser Adel sei, so die Überlegung weiter, nach Gründung der Heuneburg nicht dorthin gezogen, sondern an seinem Standort geblieben.