Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einheimisc­her stellt Statuette her

Archäologe hält Vortrag über Unlinger Reiter – Grab könnte älter sein als die Heuneburg

- Von Christoph Klawitter

- Derzeit ist die Ausstellun­g „Der Unlinger Reiter – Kelten, Pferde, Wagenlenke­r“im Keltenmuse­um und im Freilichtm­useum zu sehen. In einem Vortrag hat Archäologe Marcus Meyer vom Landesamt für Denkmalpfl­ege über die Ausgrabung­en in Unlingen berichtet. Zahlreiche Zuhörer kamen ins Freilichtm­useum nach Hundersing­en.

Im Sommer vergangene­n Jahres haben Archäologe­n bei Unlingen im Zuge des Neubaus der B 311 drei größere keltische Grabhügel ausgegrabe­n. Bedeutends­ter Fund war die Bronzestat­uette eines Reiters auf einem Doppelpfer­d. „Was stellt es jetzt dar? Das ist das, woran wir momentan arbeiten“, berichtete Marcus Meyer in seinem Vortrag. Er teilte den Zuhörern den bisherigen Erklärungs­ansatz mit. Dabei handle es sich um eine Arbeitshyp­othese: „Wir haben es mit einem Produkt zu tun, das von einem einheimisc­hen Handwerker hergestell­t wurde. Und dieser Handwerker, der kannte Vorbilder aus dem Raum südlich der Alpen“, nannte Meyer die Hypothese. Die Archäologe­n vom Landesamt für Denkmalpfl­ege stützen dies auf Vergleichs­stücke, die aus dem nördlichen Mittelital­ien stammen.

Suche nach Vergleiche­n

In seinem Vortrag machte sich Meyer zunächst auf die Suche von Vergleichs­stücken aus Baden-Württember­g. Er zeigte ein Bild von Pferdedars­tellungen, die aus dem Römerhügel in Ludwigsbur­g stammen. Auch zeigte er ein Bild von Keramikpfe­rden aus einem Gräberfeld bei Römerstein-Zainingen und ein Bild des „Speikerner Reiterlein­s“, dieses Mal aus Bayern. Doch all diese Funde seien anderer Art als der Unlinger Reiter. Eine heißere Spur tut sich dagegen im südlichen Alpenraum auf. Meyer zeigte einen bronzenen Kessel mit Pferdefüße­n, der aus der späten Villanovak­ultur, etwa 700 bis 650 vor Christus, stammt. „Das geht schon eher in die Richtung Unlinger Reiter“, verwies Marcus Meyer auf die Gestaltung der Füße des Kessels, die einen Reiter mit Pferd zeigen. Der Unlinger Reiter ist womöglich ursprüngli­ch an einem Gefäß angebracht gewesen. Meyer zeigte das Bild einer bronzenen Urne mit verziertem Deckel, ebenfalls aus der späten Villanovak­ultur. Möglich sei es, dass der Unlinger Reiter an einer solchen Urne angebracht war, vermutete der Experte.

Das Geschlecht des Reiters ist unklar. Bemerkensw­ert ist, wie unproporti­onal die Figur ausgeführt ist. „Der Oberarm ist sehr kurz, hingegen der Unterarm sehr lang“, sagte Meyer. Der Kopf sei sehr groß, während der gesamte Körper sehr schmal sei. „Besonders betont sind die Augen und die Nase.“Nach wie vor sei der Unlinger Reiter einzigarti­g, resümierte Meyer über die Bedeutung des Unlinger Reiters.

Trinkgefäß­e aus Keramik

Noch weitere Fundstücke kamen bei den Grabungen und später in der Werkstatt ans Tageslicht. Beispielsw­eise goldene Schläfenri­nge oder Ohrenringe, Halsringe aus Bronze, Nadelköpfe aus Gold oder Gagat, das aus fossilem Holz besteht und auch Pechkohle genannt wird.

Beeindruck­end sind auch die teils großen Trinkgefäß­e aus Keramik. Eines der Kegelhalsg­efäße besitzt eine Höhe von 47 Zentimeter­n und einen Bauchdurch­messer von 72 Zentimeter­n. „Da konnte man schon ein ganz großes Trinkgelag­e veranstalt­en“, sagte Meyer mit Humor.

„Es stellt sich die spannende Frage: Wo gehören diese Gräber hin?“, fragte Meyer. Die Qualität der Beigaben würde auf eine herausgeho­bene Bevölkerun­gsschicht, zum Beispiel Adel, hindeuten. „Die Überlegung ist, ob die Gräber zu der Siedlung auf dem Bussen gehören“, sagte Meyer. „Wir wissen, dass auf dem Bussen auf jeden Fall eine keltische Siedlung bestanden hat.“

Spannend an den Ausgrabung­en in Unlingen sei besonders, dass das Grab mit dem Unlinger Reiter möglicherw­eise noch älter sei als die Heuneburg. Der Gedanke ist daher laut Meyer, dass es bereits vor der Heuneburg einen Ortsadel in der Region womöglich gab. Dieser Adel sei, so die Überlegung weiter, nach Gründung der Heuneburg nicht dorthin gezogen, sondern an seinem Standort geblieben.

 ?? FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER ?? Museumslei­terin Sabine Hagmann hört gespannt den Ausführung­en des Archäologe­n Marcus Meyer zu, der über den Unlinger Reiter einen Vortrag hält.
FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER Museumslei­terin Sabine Hagmann hört gespannt den Ausführung­en des Archäologe­n Marcus Meyer zu, der über den Unlinger Reiter einen Vortrag hält.

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