Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Bitcoin rollt am Alltag der Leute vorbei
Kryptowährung überspringt erstmals 2000-US-Dollar-Marke – Nur bedingt alltagstauglich
(dpa/sz) - „Warum nicht gleich in Schweinehälften“, schrieb ein Leser ins Kommentarforum von „t3n“. Das Onlinemagazin mit Sitz in Hannover hatte kurz zuvor mitgeteilt, als erster deutscher Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum Teil in Bitcoins auszahlen zu wollen. Keine große Summe, lediglich so viel, dass man es sich einmal im Monat in einem ausgewählten Café oder Burger-Laden gut gehen lassen konnte.
Im Vergleich zum Handel mit Schweinehälften, der schon seit ewigen Zeiten an den Börsen stattfindet, gehört der Bitcoin eher zu den jüngeren Markttrends. 2008 erlebte die Kryptowährung ihre Geburtsstunde, zwei Jahre später soll der erste Handel damit stattgefunden haben. Angeblich hat der Programmierer Laszlo Hanyecz damals 10 000 Bitcoins gegen zwei Pizzen getauscht.
Hanyecz, der in einem komplizierten Verfahren die virtuelle Währung mit seinem Computer erzeugte, maß einem Bitcoin damals einen Wert von 0,003 US-Dollar bei. Am Montag übersprang der Kurs erstmals mehr die 2100-US-Dollar-Marke. Zum Vergleich: Eine Feinunze Gold kostete zuletzt rund 1250 US-Dollar. Vorausschauende Anleger, die vor sieben Jahren 100 US-Dollar in die KryptoWährung investiert hätten, säßen heute auf einem Vermögen von rund 70 Millionen US-Dollar.
Dass bei den aktuellen Notierungen noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, glauben viele. Gleichzeitig gibt es Stimmen, die vor den starken Schwankungen und der Gefahr eines Einbruchs warnen – in Deutschland nicht zuletzt die Bundesbank.
Als Gründe für den Anstieg werden derzeit vornehmlich Japan und die US-amerikanische Börsenaufsicht ins Feld geführt. Während die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt den Bitcoin Anfang April zu einem offiziellen Zahlungsmittel erklärt hat, steht die SEC womöglich kurz davor, erstmals einen auf Bitcoins basierenden Indexfonds zuzulassen. Nun ist die Hoffnung in der Kryptogemeinde groß, endlich den lang ersehnten Durchbruch zu schaffen.
Dass dieser bislang ausgeblieben ist, zeigt der enttäuschende Ausgang des t3n-Experiments, das vor gut einem Jahr angelaufen war. Trotz der enormen Kursgewinne mussten die Bitcoin-Zahlungen jüngst eingestellt werden. Der mobile Bezahldienst pey.de, über den die Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts in Bitcoins bekamen, hat den entsprechenden Service mangels Nachfrage aufgegeben.
Gern hätten sie weitergemacht, erzählt der Gründer und Geschäftsführer von t3n, Andreas Lenz. Die Mitarbeiter seien sehr zufrieden gewesen, der Bitcoin in den Pausen immer ein gutes Gesprächsthema. Allein ihre Vorreiterschaft wurde ihnen zum Verhängnis.
Noch zu wenig „Freaks“
„Ihr seid drei Jahre zu früh dran“, erinnert sich Lenz an die Worte eines der pey.de-Chefs. Es gebe einfach noch nicht genug „Freaks“wie ihn, die sich damit auseinandersetzten. Der klassische Unternehmer – ein Malermeister oder ein Tischler etwa – interessiere sich „nicht die Bohne für eine Bitcoin-Schenkung an seine Mitarbeiter, weil er gar nicht checkt, was das ist.“Lenz dagegen wollte, dass seine Mitarbeiter von Anfang an checken, worum es bei dem KryptoHype geht. „Für mich ist das, was da passiert, krasser als der Goldrausch“, sagt er.
Was den Bitcoin von einer klassischen Währung unterscheidet? Es gibt keine staatlichen Kontrolle. Auch braucht es keine Banken. Das macht die ganze Sache so günstig. Während man für eine Auslandsüberweisung über ein traditionelles Kreditinstitut schnell einen zweistelligen Euro-Betrag zahlt, ist die Gebühr für eine Bitcoin-Transaktion verschwindend gering. Meist liegt sie bei 0,0000001 Bitcoins, also nicht einmal einem Cent. Zudem dauert die Transaktion nur Sekunden, ganz egal wie groß die geografische Distanz zweier Konten zueinander ist.
Trotz all der Vorteile finden sich in Deutschland laut dem Branchenportal „btc-echo“bislang nur rund hundert Unternehmen, die den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Fragt man bei den Anbietern nach, wie oft es vorkommt, dass ein Kunde mit virtuellem Geld bezahlt, so erhält man häufig die gleiche Antwort: Kaum.
Bei Keycoon etwa, einem Frankfurter Onlineshop für 3-D-DruckerZubehör, passiere das in nicht einmal einem Prozent aller Fälle, berichtet Geschäftsführer Deniz Isik. Wenig anders sieht es bei 4electric aus, einem Zulieferer von Ladezubehör für Elektroautos, ebenfalls aus Frankfurt. Auch hier habe man sich vielmehr aus Überzeugung für den Bitcoin entschieden, heißt es vom Inhaber.
Vielleicht ist es aber auch die kollektive Angst vor der starken Volatilität, die mit der Angreifbarkeit digitaler Währungen einhergeht. Tatsächlich gab es seit 2014 mehrere markante Einbrüche, meistens als Folge von Hackerangriffen auf große Krypto-Tauschbörsen, wie MtGox oder BitFinex.
Die Japaner scheinen das aber anders zu sehen: Mit dem Billigflieger Peach Aviation akzeptiert die erste japanische Fluggesellschaft den Bitcoin. Die ersten Tickets können zum Ende des Jahres mit der Kryptowährung gekauft werden, teilte die Airline am Montag mit. Peach Aviation will damit Kunden aus dem restlichen Asien anlocken.