Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Dilemma der Konzertmacher
Deutschland ist Festival-Land: Hunderttausende Fans strömen jedes Jahr landauf landab zu Freiluftkonzerten, um ihre Lieblingsmusiker zu erleben und um eine Auszeit vom Alltag zu genießen. Festivals stehen für Entgrenzung und Exzess, für Konsum und Popkultur. Als Symbol des westlichen Lebensstils müssen sie jedem Islamisten ein Dorn im Auge sein.
Für die Konzertveranstalter ist die aktuelle Lage unter dem Eindruck des Selbstmordanschlags auf das Konzert von Ariana Grande in Manchester mit 22 Toten ein Dilemma. Sie sind geradezu gezwungen, die Sicherheitsvorkehrungen noch weiter zu verschärfen. Tun sie das nicht, würde ihnen im Ernstfall vorgehalten, dass sie nicht alle Mittel ausgeschöpft haben, um einen Anschlag zu verhindern. Justieren die Organisatoren aber nach, gibt es Stimmen, die ihnen Aktionismus vorwerfen. Dabei muss man sehen: Wer eine derartige Großveranstaltung auf die Beine stellt, ist für das Wohlergehen von Zehntausenden verantwortlich.
Ob jede Einzelmaßnahme in der konzertierten Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und Veranstaltern sinnvoll ist und mehr Sicherheit bringt, darüber lässt sich streiten. Doch es ist müßig, die Konzertagenturen dafür zu kritisieren: Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass strengere Sicherheitskontrollen bei Großveranstaltungen zum Standard gehören, ob im Fußballstadion oder bei Konzerten. Sollte ein Open Air in der Größenordnung von Rock am Ring zum Ziel eines Anschlags werden, wäre das das Ende der Festivalkultur, wie wir sie kennen. Nicht nur, dass wohl niemand mehr mit einem guten Gefühl die Verantwortung für so viele Menschen übernehmen würde – wie im Falle der Loveparade. Wer würde noch unbeschwert zu einem Festival gehen können, wenn dort im Jahr zuvor Menschen getötet wurden?
Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen sind notwendig. Sie machen überhaupt erst möglich, dass solche Veranstaltungen auch in Zeiten der latenten Terrorbedrohung noch guten Gewissens stattfinden können.