Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fünflinge in Zell
Diplom-Biologe Rainer Deschle beringte am Mittwoch Störche in Zwiefalten, Zell, Daugendorf, Ertingen und Dürmentingen
Rainer Deschle hat zum Storchenberingen in die Nester der Region geschaut.
REGION - Die meisten kleinen Störche – fünf an der Zahl –, die am Mittwochabend von Diplom-Biologe Rainer Deschle beringt wurden, saßen im Nest auf Paul Fisels Scheune in Zell. Der größte Wonneproppen bringt 3600 Gramm auf die Waage und schlägt im Daugendorfer Nest schon mit den Flügeln. Das leichteste Störchlein sitzt im Zwiefalter Nest und muss noch ordentlich gefüttert werden.
Wenn die Feuerwehr mit ihrer Drehleiter Anfang Juni ins Dorf fährt, ist Diplom-Biologe Rainer Deschle meistens nicht weit. Zum Störcheberingen war er am Mittwochabend mit der Riedlinger Wehr verabredet. Seit 16 Jahren beobachtet Deschle im Auftrag des Regierungspräsidiums Tübingen die Störche und macht dem Nachwuchs Ringe an die Beine. Über 60 Nester hat er dieses Jahr im Blick.
Die Kleinen schlüpfen im ZweiTages-Rhythmus und klappern bereits am zweiten oder dritten Tag mit ihren Schnäbeln. Da heißt es für die Storcheneltern ordentlich Futter anzuschleppen. Würmer sind der Hauptnahrungsanteil, so Deschle. Aber auch Insekten und Mäuse gehören zum Nahrungsangebot. Frösche eher weniger. Die Altstörche würgen die Nahrung im Nest wieder aus und wer von den Kleinen am schnellsten ist, erwischt am meisten. „Der jüngste Schlupf hat die schlechtesten Karten“, sagt Deschle. Und weil das, was die Kleinen oben reinstopfen, irgendwann unten wieder raus muss, drehen die Kleinen ihr Hinterteil gen Nestrand und entsorgen ihre Notdurft im hohen Bogen aus dem Nest.
Das Verhalten der Störche beobachtet in Zwiefalten Familie Hamberger mit dem Teleskop. Ingo Hamberger ist Zimmermann und hat das Nest vor ein paar Jahren auf das Dach des Rathauses gemacht. Während die Feuerwehr ihre Drehleiter in Stellung bringt und mit dem Storchenbeauftragten im Korb zum Nest fährt, sammeln sich unten die ersten Schaulustigen. „Wie viele sind’s?“, wollen die Zuschauer wissen. Hamberger weiß, dass es ehemals vier waren. Aber seit einiger Zeit seien nur noch drei kleine Köpfe zu sehen. Er behält Recht. Das vierte Störchlein ist spurlos verschwunden.
Weiter geht die Fahrt nach Zell zum Pfarrhaus. Dort verschieben die Nachbarn das Abendessen, Fahrzeuge werden bereitwillig umgeparkt – Störcheberingen hat Vorrang. Vor 14 Tagen sei ein Jungstorch tot auf der Erde gelegen, wissen die Zeller. Er habe eine Wunde gehabt. „Es sah aus, als sei er aufgespießt worden“, so ein Augenzeuge, der auch beobachtet hatte, dass immer wieder fremde Störche das Nest attackiert hatten. Deschle bestätigt, dass es durchaus sein könne, dass ein anderer Storch die Brut angreife. Trotzdem sitzen im Zeller Pfarrhausnest noch drei Junge, die alle ein ordentliches Gewicht auf die Waage bringen. Die Zeller lieben ihre Störche. Was sie nicht so gerne mögen, wenn der Storch direkt auf dem First des Kirchendaches sitzt und Kot und Dreck sich vor der Kirchentür sammelt.
Beringt wird am Mittwoch auch im zweiten der vier Zeller Nester. Auf Paul Fisels Scheuer haben sich die Störche vor zwei Jahren ein eigenes Nest gebaut. Fisel vermutet vier Störchlein, denen er die Namen seiner Enkel gegeben hat: Vincent, Lorenz, Ansgar und Aurelia. Allerdings entdeckt der Storchenbeauftragte beim Beringen auch noch einen fünften Vogel im Nest. „Dann heißt der jetzt Paul wie ich“, so Fisel, der eine große Freude an den Tieren hat, wie auch der Nachbar, der beim Storchendreck wegräumen Hand anlegt.
Eine weitere Überraschung wartet im Storchennest in Daugendorf auf den Storchenbeauftragten. Da sitzen drei Junge im Nest und einer macht schon auf dicker Max. Er verfällt nicht wie seine Geschwister in eine Starre. Er baut sich vor Deschle auf und macht klar, dass er das Wiegen und Beringen nicht ganz so toll findet. Es hilft alles nichts – auch er muss auf die Waage und bringt es auf stolze 3600 Gramm.
In Ertingen wird die Drehleiter dreimal ausgefahren. Je drei Junge sitzen im Dornröschen-, im Pfarrhausund im Rathausnest. Und auch die Dürmentinger können sich in diesem Jahr über reichen Kindersegen im Nest auf dem Kamin freuen. Auch da sitzen drei Junge mit ordentlichem Gewicht.
In diesem Jahr gebe es einige Nester mit Dreier- oder Viererbesetzung, sagt Deschle. Es sei ein durchschnittlich gutes Jahr für den Storchennachwuchs. Eine Rolle, wie viele Eier ausgebrütet werden, spiele immer auch das Wetter. Und obwohl es Ende April noch einmal geschneit habe, seien die Störche gut zurechtgekommen. Ende Sommer werden die meisten Jungen nach Westafrika oder Spanien ziehen.
„Dann heißt der jetzt Paul wie ich“Paul Fisel