Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Lange mit dem Beruf gehadert“
Wenn ein Schauspieler einen Schauspieler mimt – Lucas Gregorowicz im neuen Sönke-Wortmann-Film
Im Fernsehen tritt Lucas Gregorowicz unter anderem als Kriminalhauptkommissar Adam Raczek im „Polizeiruf 110“in Erscheinung. In Sönke Wortmanns romantischer Tragikomödie „Sommerfest“ist der 40-Jährige nun als Schauspieler Stefan zu erleben, der anlässlich des Todes seines Vaters in seine Heimatstadt Bochum zurückkehrt. André Wesche hat sich mit dem Mimen über das wahre und das gespielte Schauspieler-Leben unterhalten.
Herr Gregorowicz, stimmt es, dass Ihr echter Vater die Leiche Ihres Filmvaters spielt?
Ja! Sönke hat sich das ausgedacht. Ich fand es echt makaber und ich habe gesagt, dass ich das nicht will. Mein Vater wollte aber schon immer mal die Haupt-Leiche spielen. Und Sönke meinte: ,Komm’, in einer Komödie ist das schon okay.’ Da habe ich zugestimmt. Ich hätte es sowieso nicht verhindern können. Aber ich finde es nach wie vor makaber.
Für Sönke Wortmann waren Sie als Hauptdarsteller gesetzt. Hat Sie das Drehbuch sofort überzeugt?
Ja, ich habe nicht lange überlegt. Ich kenne ja auch den Autor Frank Goosen noch als Bochumer Koryphäe aus meiner Jugend. Es war mir klar, dass es auch bei kleinen Änderungen an der Vorlage nichts geben würde, was man mit Sönke zusammen nicht hinkriegt.
„Sommerfest“ist auch eine Liebeserklärung an Bochum und seine Menschen. Welche Gefühle hegen Sie für die Stadt, in der Sie Ihre Jugend verbracht haben und in der Ihre Familie lebt?
Bochum ist auf jeden Fall meine Heimat. Natürlich ist es kein Ort, von dem die Leute sagen: „Oh, schön, da fahren wir jetzt mal hin und schauen uns alles an.“Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Bochum auf einer bestimmten Ader gebaut ist. Für mich kommt da unheimlich viel zusammen. Nicht nur, dass ich mit meiner Familie dort aufgewachsen und meinen Freunden dort verbunden bin. Auch beruflich hat dort alles für mich angefangen. Die Leute, mit denen ich heute noch viel beruflich und privat zu tun habe, waren damals alle noch an diesem Theater engagiert oder mit mir auf der Schauspielschule. Wir begegnen uns immer wieder. Für mich ist Bochum nicht nur eine Stadt, sondern auch ein Zustand.
Gab es während der Dreharbeiten vor Ort Momente der Wehmut?
Wehmut im positiven Sinne, ja. Ich hatte immer das Gefühl, zurückkommen zu müssen. Ich weiß nicht, ob das ginge, weil ich ja sehr viel unterwegs bin. Aber wenn es darum geht, irgendwann mal eine „Basis“zu haben, ist Bochum immer noch in meinem Hinterkopf. Vielleicht war ich weniger wehmütig als glücklich über die Möglichkeit, jetzt noch mal alles zu durchleben. Eine Heimkehr zu zelebrieren.
Hinterfragt man, ob man die richtigen Lebensentscheidungen getroffen hat oder wird man eher darin bestätigt?
Ich glaube, es ist beides der Fall. Ich bin ohnehin so gestrickt, dass ich immer mehr auf der zweiflerischen Seite bin. In diesem Fall war ich aber einfach nur stolz und glücklich darüber, aus dieser Gegend zu kommen.
Stefan, ihr Filmcharakter, steht vor der Entscheidung, in eine Soap einzusteigen. Mit Ihrer Filmografie beweisen Sie keine Berührungsängste zu leichten Stoffen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was Sie machen und was nicht?
Es muss irgendwie passen, irgendwas muss dran sein. Zum Beispiel können mich die Leute anfixen, die mitmachen. Bei „Vorstadtweiber“wollte ich unbedingt mit meiner Frau zusammenarbeiten. Und ich fand die Drehbücher lustig. Manchmal muss man auch die Miete verdienen, ganz normal, wie in jedem anderen Beruf auch. Man kann nicht immer nur die Sachen machen, die man gerne macht. Und eine Komödie wie „Lommbock“mag zu den leichteren Stoffen zählen, aber schauspielerisch ist es oft anspruchsvoller, hier das richtige Timing zu finden und die Spannung zu halten, als in einem ernsten Film, wo man nur so gucken muss.
Im Film wird Schauspieler Stefan ständig gefragt: „Muss man dich kennen?“. Haben Sie sich gefreut, als Sie zum ersten Mal auf der Straße erkannt wurden, und gab es einen Punkt, an dem es zu viel wurde?
Es kommt immer darauf an, wofür man erkannt wird. Als es 2001 mit „Lammbock“losging, war ich 24. Damals wurde noch nicht immer gleich alles im Internet verbreitet. Ich war stolz auf den Film. Und wenn man stolz auf etwas ist, wird man auch gern darauf angesprochen und kann ehrlich „Danke!“sagen. Bei meinem langen Nachnamen wissen viele Leute auch heute noch nicht, wie ich heiße, und sie sprechen mich nicht mit meinem Namen an. Ich bin ja auch nicht Jogi Löw, den jeder von hinten am Haarschnitt erkennt.
Warum wollten Sie Schauspieler werden?
Das hat sich ergeben. Ich bin etwas unglücklich und enttäuscht aus England zurückgekehrt, weil ich mit dem Demo-Band meiner Band nichts gerissen habe. Ein Freund von mir hat ein Praktikum am Schauspielhaus Bochum gemacht. Es war eine gute Zeit. Das Theater hatte eine unheimliche Strahlkraft. Alle wollten dort sein. Und ich auch. Mir war es ganz egal, als was, ich habe wirklich alles gemacht. Ich habe Requisite und Ton gemacht und sehr viel mit der Technik zusammengearbeitet. Bis heute bin ich mir sicher, dass ich besonders von diesen Leuten sehr viel gelernt habe, auch was die Arbeitseinstellung angeht. Dann habe ich an der Schauspielschule Bochum vorgesprochen. Man hat mich gleich beim ersten Mal genommen. Ich habe dann lange mit dem Beruf gehadert. Es liegt eigentlich nicht in meiner Natur, sich auf eine Bühne zu stellen. Aber irgendwann kamen die Jobs und ich habe mich damit angefreundet, dass ich jetzt Schauspieler bin. Ich hatte nie den Traum, es zu werden. Es ist mir irgendwie in den Schoß gefallen.
Sie arbeiten für Theater und Film. Welche unterschiedlichen Bedürfnisse werden dabei befriedigt?
Ich finde Theater ein bisschen sportlicher, physisch auf eine andere Art anspruchsvoll. Es verlangt eine andere Art von Kondition. Du musst da abends stehen, egal, ob du wirklich vor hundert Leuten auftreten und laut sprechen willst oder dich am liebsten zu Hause verkriechen würdest. Das muss man wollen. Im Moment bin ich in der Phase, in der ich sehr gerne Filme drehe. Ich habe jetzt meine „Heimkehrer-Trilogie“vollendet. „Schrotten!“, „Lommbock“und „Sommerfest“sind alles Heimkehrer-Filme mit einer ähnlichen Prämisse. Mal schauen, welches Thema als Nächstes ansteht.
Spüren Sie in sich auch eine polnische Seite?
Wenn ich mit meinen Eltern zusammen bin, ja. Aber eigentlich nur dann. Zu Hause sprechen wir Polnisch. Sonst komme ich nicht dazu. Außer vielleicht mal in einem Polizeiruf, wenn man sich an der Grenze herumtreibt. Oder in „Unsere Mütter, unsere Väter“.
Könnten Sie sich vorstellen, jemals wieder in Bochum zu leben?
Ich auf jeden Fall. Ich muss es nur meiner Frau noch ein bisschen schmackhafter machen. Dabei geht es gar nicht so sehr um Bochum. Sie ist Berlinerin. Und einer Berlinerin eine andere Stadt schmackhaft zu machen, ist per se schwierig. Sie war jetzt lange weg und ist gerade erst wiedergekommen. Das heißt, sie bleibt jetzt erst mal da.
Um eine wiederkehrende Frage aus dem Film aufzugreifen: Wie ist die Ferres denn so?
(lacht) Keine Ahnung! Ich habe Sie nie getroffen.