Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eltern beklagen verkapptes Schulgeld
Aus ihrer Sicht soll das Land die Kosten für die Schülerbeförderung tragen – Verwaltungsgericht entscheidet
- Viele Eltern in Baden-Württemberg sind der Meinung, dass das Land die Kosten für den Schülerverkehr komplett übernehmen müsste. Tausende Unterstützer haben sich der Initiative „Eltern für Elternrechte“angeschlossen. Momentan zahlen die Eltern im Südwesten den Löwenanteil der Kosten für die Fahrkarten – jährlich rund 220 Millionen Euro.
„Dabei handelt es sich um ein verkapptes Schulgeld“, sagt Stephan Ertle, der Sprecher der Initiative. Über ein Rechtsgutachten konnte die Initiative eigenen Angaben zufolge nachweisen, dass die gängige Praxis in Baden-Württemberg rechtlich auf wackeligen Beinen steht. Um das Land dazu zu zwingen, dies zu ändern, reichte eine Familie aus Tübingen Klage vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen ein. Nächste Woche soll das Gericht entscheiden.
Für die momentan zwei schulpflichtigen Kinder der Familie Keck werden jährlich allein für die Busfahrkarten etwa 1000 Euro fällig. Da das Verwaltungsgericht keine Sammelklage zugelassen hat, übernahm Theo Keck als ehemaliger Vorsitzender des Landeselternbeirats die Musterklage und verklagte den Landkreis Tübingen als Träger der Schülerbeförderung: „Ausgerechnet das gut situierte Baden-Württemberg sieht sich nicht in der Lage, die Kosten für die Schülerbeförderung komplett zu übernehmen – das ist der Skandal.“
Die Vertreter des Landeselternbeirats verweisen auf die Nachbarländer Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz, die die Kosten für den Schülerverkehr tragen. Insgesamt geht es nach Angaben des Landeselternbeirats um einen Betrag von 220 Millionen Euro, die die Eltern jährlich für die Schülerbeförderung ausgeben. „Wir gehen davon aus, dass diese Summe in Zukunft vom Land getragen werden muss“, gibt sich Stephan Ertle aus Leutkirch siegessicher. Als Mitglied im Landeselternbeirat hat er die Diskussion schon vor Jahren angestoßen.
In einem Rechtsgutachten, das die Initiative um Ertle in Auftrag gegeben hat, kommt eine Stuttgarter Kanzlei zu der Auffassung, dass die derzeitige Praxis negative Auswirkungen auf die Wahl von Ort und Art der Schule habe. „Diese Chancenungleichheit muss weg“, sagt Ertle. Damit ist gemeint: Finanzschwache Familien müssten sich derzeit für eine nahe gelegene Schule entscheiden, weil sie sich einen weiteren Schulweg nicht leisten könnten. Der gesetzlich definierte unentgeltliche Zugang zur Bildung dehne sich auch auf die Schülerbeförderung aus, so eine weitere Aussage des Gutachters. Die Vertreter der Initiative „Eltern für Elternrechte“sind der Meinung, dass das vom Land momentan in die Schülerbeförderung investierte Geld zweckentfremdet werde. Die Landesregierung überweist hierfür jährlich einen Betrag in Höhe von 195 Millionen Euro an die Kreise. Rechnet man den Eigenanteil der Eltern in Höhe von 220 Millionen Euro hinzu, lägen die Ausgaben bei 415 Millionen Euro.
Landratsamt blockt ab
Die Initiative ist der Auffassung, dass das Land tatsächlich mit 250 Millionen Euro jährlich für Schülerbeförderung hinkommen würde. Seit 2011 beschäftigen sich die Landeselternbeiräte damit. Sie baten das Ravensburger Landratsamt darum, die Zahlen des Schülerverkehrs offenzulegen, die Anfrage wurde aber immer wieder abgeblockt. „Wir wollten anfangs gar nicht klagen, sind aber mit unseren Verhandlungen immer wieder gescheitert“, sagt Brigitte Reuther aus Bad Wurzach.
Die Initiative geht davon aus, dass sie zwischenzeitlich von 20 000 Eltern unterstützt wird. Viele von ihnen haben die Monatskarten unter Vorbehalt bezahlt. So können sie gegenüber dem Land eine mögliche Rückforderung geltend machen.