Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Opfertod fürs Altenheim
Die traditionelle Stierhatz in Pamplona wird von einer Stiftung organisiert
- Es ist Spaniens blutigstes Volksfest: Rund 350 Menschen wurden an den ersten sechs Tagen der morgendlichen Stierhatz durch die Gassen der Stadt bereits verletzt. Ein Banderillero, wie die Helfer der Toreros bei den abendlichen Stierkämpfen in der Arena heißen, erlitt einen fürchterlichen Hornstoß in den Unterleib und kämpft um sein Leben. Das Blut fließt im Namen der Barmherzigkeit: Das umstrittene Stierspektakel in der nordspanischen Stadt wird kurioserweise von einer Altenstiftung organisiert.
Ohne das „Haus der Barmherzigkeit“würden wohl keine Stiere durch Pamplona getrieben und dort in der Arena getötet werden. Der Stiftung gehört seit fast einem Jahrhundert die riesige Stierkampfarena, in der knapp 20 000 Menschen Platz finden. Nur die spanische Hauptstadt Madrid und die Mittelmeerstadt Valencia haben noch größere Kampfplätze. An den neun Abenden, an denen hier noch bis Freitag täglich sechs Stiere getötet werden, sind die Ränge ausverkauft. Die Eintrittskarten kosten zwischen 21 und 100 Euro.
555 Altenplätze
Mit der „Feria del Toro“, wie das Stierfest, das dem Stadtheiligen San Fermín gewidmet ist, offiziell heißt, subventioniert die Barmherzigkeitsstiftung ihr Altenheim. Es ist eines der größten Heime weit und breit mit 555 Wohnplätzen, und es liegt rund einen Kilometer von der Arena entfernt mitten in der City.
Pamplonas Bullentreiben und Stierkämpfe sind ein ziemlich gutes Geschäft. Nach Informationen der örtlichen Medien spült es jedes Jahr mehr als sechs Millionen Euro in die Kasse der Altenstiftung. Allerdings müssen auch ein paar Millionen in Sicherheit und Organisation investiert werden. Etwa in die Schutzzäune, mit denen die 875 Meter lange Stierhatzstrecke abgesichert wird. Auch die Stiere müssen gekauft und die Toreros bezahlt werden.
Die seltsame Allianz zwischen Barmherzigkeit und dem, was Tierschützer „Barbarei“nennen, besteht nun schon seit fast 100 Jahren. In den 20er-Jahren hatte das Rathaus der Altenstiftung angeboten, die schon seit Jahrhunderten existierenden Stierkämpfe und -treiben zu organisieren und sich so eine Einnahmequelle zur Finanzierung der Sozialarbeit zu erschließen. Seitdem laufen und sterben die Stiere für den Betrieb eines Altenheims, das rund ein Drittel seiner Kosten mit dem blutigen Spektakel deckt. Der Rest der Heimfinanzierung wird über staatliche Zuschüsse und die Zahlungen der Bewohner gedeckt. Stiftungsvorsitzender ist übrigens Pamplonas Bürgermeister Joseba Asirón Sáez, für dessen Stadt diese berühmte Stierfiesta zur wohl wichtigsten Einnahmequelle des ganzen Jahres geworden ist: Die Hotels sind in diesen Tagen ausverkauft, die Gastronomie macht Rekordumsätze. Die Hunderttausenden von Festbesuchern, davon viele aus dem Ausland, spülen nach Schätzungen jedes Jahr annähernd 150 Millionen Euro in die Kassen der lokalen Wirtschaft.