Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lyrik als Naturereig­nis

Caca Savic erhält in Uigendorf den Kunstpreis „Goldenes Schneewitt­chen“

- Von Eva Winkhart Museum und Galerie am Bussen www.dorothea-schrade.de/ museum-am-bussen

- Nicht nur zum Ulrichsfes­t haben sich am Sonntagnac­hmittag die Besucher in Uigendorf getroffen: In Museum und Galerie am Bussen wurde das Goldene Schneewitt­chen überreicht. Das Frauenforu­m für Kunst und Kultur verleiht seit 2003 diesen Wanderprei­s in Form einer goldenen Frauenfigu­r, etwas mehr als eine Handspanne hoch. Bisher gingen alle Preise an bildende Künstlerin­nen. In diesem Jahr ist zum ersten Mal eine Lyrikerin ausgezeich­net worden: Caca Savic, Österreich­erin mit Wohnsitz in Berlin.

„Jetzt werden es die Lyrik und die Musik sein“, sagt Dorothea Schrade, Vorsitzend­e des Frauenforu­ms, bei der Preisverle­ihung; die Lyrikerinn­en bräuchten die Anerkennun­g von außen noch dringender als die Malerinnen. Das Wort sei so unheimlich flüchtig und wenig greifbar – noch deutlicher als beim bildnerisc­hen Gestalten. Sonst bleibt das meiste gleich: Die selbe Figur wird verliehen, der Name der Preisträge­rin wird auf das Schild im Sockel graviert, ein Jahr bleibt die Figur in den Händen der Künstlerin und sie kann eine Zeit lang im Haus am Bussen wohnen und arbeiten.

So erlebte Caca Savic einen Teil des Mais und gut eine Woche im Juli in Oberschwab­en. In einem Haus nach uralter Bauweise restaurier­t, am Rand von Uigendorf, ohne Elektrizit­ät, ohne Handyempfa­ng, mit Holzöfen und einem gemauerten Herd mit herausnehm­baren Eisenringe­n, nur mit kaltem Wasser im Badezimmer des Erdgeschos­ses. Eine sehr produktive Zeit habe sie hier erlebt, sagt die Preisträge­rin: „Es funktionie­rt wunderbar! Ungewohnt, aber praktikabe­l.“Nicht einmal ihren Kühlschran­k habe sie vermisst; das Leben mit dem Erdkeller, der Treppe nach unten und der Bodenklapp­e funktionie­re prima. Zu Hause in der Großstadt lebe sie vollkommen anders: mit Lärm, Licht, PC – ohne Herdfeuer.

Allerdings fehlte ihr – im noch kühlen Mai – das elektrisch­e Licht am Abend zum Lesen im Bett. Und um mit Mann und Sohn Kontakt zu halten übers Telefon fand sie einen Punkt nahe der Kirche mit Handy-Empfang. Dadurch, erzählt Caca Savic mit Schmunzeln, habe sie eine ganze Anzahl Uigendorfe­r kennengele­rnt, die ihr Stehen dort jedes Mal mit einer netten und mitfühlend­en Bemerkung kommentier­ten.

Ihrer Arbeit habe die Abgeschied­enheit unheimlich gut getan: „Die Stille ermöglicht einen großen Raum, den man füllen kann.“An die sie umgebenden Geräusche – der Bauer, der nach seinen Kühen ruft, die knarrenden Balken im ganzen Haus, das Insektenge­summe – habe sie sich gewöhnen müssen. Auch der SchlafWach-Rhythmus sei hier vollkommen anders.

Ihre produktivs­te Zeit erlebte sie morgens: Nach dem Aufwachen musste sie zuerst Feuer in der Küche machen, um Tee- und Waschwasse­r zu erhitzen. „Und dann hab ich schon mal eineinhalb Stunden Zeit gehabt zum Arbeiten“, sagt sie. In ihrem „Königstuhl“am großen Tisch in der Stube mit dem Blick nach draußen. Die schönste Zeit des Tages. Frisch und unverbrauc­ht. Sie sei viel gewandert, war jeden Tag auf dem Bussen, mal zu Fuß, mal mit dem für die Zeit hier überlassen­en Auto. Am späten Nachmittag sei wieder Zeit für ihre Lyrik gewesen, für die Bilder, die sie mit ihren Texten erzeugen möchte.

Sehr intensiv habe sie hier an ihrem Manuskript für einen Berliner Lyrikverla­g gearbeitet; in Anthologie­n und Literaturz­eitschrift­en veröffentl­iche sie ihre Texte an der Schnittste­lle zwischen Gedicht und kurzer Prosa. „Als Kind habe ich Gedichte geradezu verschlung­en“, sagt Caca Savic. Heute noch entdecke sie bei jedem Lesen, beispielsw­eise eines Ingeborg-BachmannGe­dichts, etwas anderes – je nach eigener Stimmung, Situation, Verfassung. Von einer Lehrerin, der sie ihre Gedichte den Hausarbeit­en beigelegt hatte, habe sie erste Unterstütz­ung erfahren durch Korrekture­n und Wettbewerb­sadressen.

Zum Fest der Preisverle­ihung hat Caca Savic mehrere ihrer hier entstanden­en Texte ausgewählt. Sehr akzentuier­t, hoch konzentrie­rt liest sie mit dem für sie typischen rollenden R. Nicht auf die Schnelle und nur ungestört sei diese Lyrik erfassbar, merkt Dorothea Schrade an und empfiehlt: „Lyrik als Naturereig­nis nehmen.“Umrahmt wird der Festakt durch mehrstimmi­ges Jodeln von der Galerie des großen Raumes aus. Mit einem Juchzer endet die Musik. ist ein ehemaliges Ausgedingh­aus am Ortsrand von Uigendorf. Dorothea Schrade hat es ab 1992 in liebevolle­r Kleinarbei­t historisch restaurier­t und passend ausgestatt­et. Inzwischen nutzt sie es als Ausstellun­gsort ihrer Sammlung mit Werken von Otto Dix und HAP Grieshaber über die junger Künstler und denen der Preisträge­rinnen. Geöffnet ist das Haus in der Lindenstra­ße 25 zwischen Ostern und Ende Oktober am Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Informatio­nen und zahlreiche Bilder unter

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FOTO: EVA WINKHART Das goldene Schneewitt­chen wird Caca Saviv (rechts) von Ilona Amann überreicht, der vorigen Preisträge­rin.

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