Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fantastische Ziele mit Zieler
VfB-Präsident Dietrich will langfristig die Nr. 3 in Deutschland werden, ein Weltmeister im Tor soll dabei helfen
- Ron-Robert Zieler scheint es ziemlich eilig zu haben mit seinem Neustart im deutschen Fußball. Erst um Mitternacht war der Weltmeister und langjährige Torhüter von Hannover 96 im VfBTrainingslager am Chiemsee angekommen, am Mittwochmorgen stand er bereits auf dem Platz, abends durfte er nach der Pause ins Tor des Aufsteigers im Test gegen Dynamo Dresden. Mit 1:2 (1:0) verloren die Stuttgarter, und dass auch ein mitspielender, fußballerisch beschlagener Torhüter Risiken mit sich bringt, sah man beim Ausgleich, als sich eine 40-Meter-Bogenlampe über den weit herausgerückten Schlussmann ins Netz senkte.
Prinzipiell aber dürfte dem VfB mit dem Transfer Zielers, der einen Vertrag bis 2020 unterschrieb, ein Husarenstreich gelungen sein. Auch wenn der 28-Jährige bei Leicester City den Dänen Kaspar Schmeichel, Citys Meistergaranten von 2016, nicht verdrängen konnte und die komplette Rückrunde auf der Bank saß: In Normalform dürfte Zieler zu den besten 20 Torhütern der Welt gehören. Noch bei der WM 2014 war der sechsmalige Nationalspieler zumindest die Nr. 3 hinter Manuel Neuer. Die nicht unbedingt clevere Entscheidung, ohne Lobby zu einem amtierenden englischen Champion zu wechseln, dessen Publikumsliebling im Tor steht, mag ihn im Nationalteam zurückgeworfen haben. Dennoch ist Zieler einer, der fast jede Mannschaft stärker machen kann – und für vier Millionen Ablöse war er quasi ein Schnäppchen. Es wundert also nicht, dass VfB-Trainer Hannes Wolf frohlockte: „Wir haben die Verantwortung für den VfB, alle Positionen so gut wie möglich zu besetzen. Wenn man Ron-Robert Zieler verpflichten kann, muss man das machen“, sagte Wolf, und damit dürfte auch klar sein, dass sich Amtsinhaber Mitch Langerak wieder wie einst in Dortmund ans Reservistendasein gewöhnen muss – oder eben wechseln.
Ebenso, wie den VfB Zielers Wille zum Wechsel beeindruckte, hatten dem Torhüter die Gespräche mit den Stuttgartern und die Ziele des Clubs imponiert, ließ Zieler wissen. Die sind tatsächlich erstaunlich. Sein Traum sei, dass der VfB sich in fünf Jahren im oberen Drittel der Tabelle etabliert habe „und bestenfalls nur zwei Vereine größer sind als wir“, sagte Präsident Wolfgang Dietrich in einem Interview mit der „Sport-Bild“, also der FC Bayern und Dortmund.
Kecke Worte für einen Aufsteiger, der vor seinem Jahr in der 2. Liga sieben Jahre am Stück gegen den Abstieg gespielt hatte, große Talente wie Joshua Kimmich oder Bernd Leno verlor, ohne sie jemals eingesetzt zu haben, Nationalspieler in spe wie Antonio Rüdiger und Timo Werner weit unter Marktwert verkaufte und auch in der Jugendarbeit zuletzt nur noch zweitklassig war.
Immerhin: Unter Dietrich, Wolf und Manager Jan Schindelmeiser deutete der VfB zumindest an, dass in Verbindung mit dem frischen Kapital von der Ausgliederung künftig vieles besser werden könnte beim VfB. Dietrich hat sich die Dortmunder von 2008, als Jürgen Klopp den Club übernahm und später zum Doublesieger machte, zum Vorbild genommen. Der VfB habe eine bei Weitem bessere Ausgangslage, sagte er: „Dortmund hatte strukturelle und riesige wirtschaftliche Probleme. Aber sie wurden sehr schnell im Nachwuchsbereich top und haben mit einer guten Trainer-Entscheidung und richtigen Transfers den Weg nach oben gefunden. Es gibt Beispiele, wie schnell das bei entsprechenden Strukturen gehen kann.“Auch Hoffenheim schaffte in zwei Jahren den Weg vom Fast-Absteiger in die Champions League. Immerhin weiß Dietrich, „dass wir unsere Mannschaft noch verstärken müssen und in anderen Bereichen Nachholbedarf haben“.
Dass Zieler bereits Stuttgarts Königstransfer war, darf also bezweifelt werden – dringend benötigt werden noch ein Rechtsverteidiger und ein Abwehrchef. Clubidol Hansi Müller gab dem VfB schon mal einen kostenlosen Tipp. Er empfahl, einen „fertigen Spieler“zu holen, „der auch kicken kann und was abräumt“. Also noch einen Ron-Robert Zieler.