Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Operation Dieselrettung
Union und SPD streiten für die Zukunft des Verbrennungsmotors, dessen Ende Grüne fordern
BERLIN - Der Streit über die Zukunft von Verbrennungsmotoren könnte zu einer Streitfrage bei Koalitionsverhandlungen werden. Während die CDU den Antrieb noch jahrzehntelang als Kerntechnologie sieht und die CSU einen Ausstieg als nicht verhandelbar bezeichnete, bekräftigten die Grünen, nur eine Koalition einzugehen, die das Ende dieser Technik einleite. „Ein Verbot des Verbrennungsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“, sagte CSUChef Horst Seehofer der Funke-Mediengruppe. „Das ist in Koalitionsgesprächen für die CSU genauso wenig verhandelbar wie Steuererhöhungen, eine Erleichterung der Zuwanderung und eine Lockerung der Sicherheitspolitik.“Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir erwiderte ebenfalls Funke-Mediengruppe: „Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennungsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreien Verkehr schafft.“
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte im ARD-Sommerinterview, der Verbrennungsmotor werde noch lange gebraucht. Anstatt die Technologie in Bausch und Bogen zu verdammen, wäre es besser, jetzt in die Optimierung der Dieseltechnologie zu investieren. In dieser Frage seien die Union und die Grünen sehr weit voneinander entfernt. „Schlimmer kann es für Schwarz-Grün nicht kommen“, fügte er hinzu.
Auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wandte sich am Samstag gegen ein Aus für Dieselmotoren. „Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalverschiss geraten, aber das ist nicht richtig.“Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sagte sie: „Das Wesen der Koalitionsverhandlungen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, auch mit den Grünen übereinzukommen.“
Dabei geht neben der Debatte um die langfristige Zukunft von Verbrennungsmotoren auch der Streit um Nachbesserungen an Dieselfahrzeugen und die Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung in Städten weiter. Sollte dies nicht gelingen, drohen in zahlreichen Städten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Schulz sagte der „Schwäbischen Zeitung“, er sei für Nachrüstungen, wenn sie denn tatsächlich helfen würden. „Zuvor müssen wir aber wissen, wie dies umgesetzt werden kann und wer es bezahlt“, erklärte Schulz. „Die Kosten dürfen nicht beim Kunden abgeladen werden. Das Management macht die Fehler, und der Kunde zahlt die Zeche? Das gibt es mit mir nicht.“
Die Autoindustrie wehrt sich gegen die Forderungen nach technischen Nachrüstungen. Gut drei Wochen nach dem sogenannten Dieselgipfel sei es sinnvoll, erst einmal die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen wie Software-Updates anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, sagte der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, in der „Passauer Neuen Presse“. Zudem seien für die meisten Dieselfahrzeuge technische Änderungen gar nicht möglich. „Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendigen Tests abgenommen werden“, sagte Wissmann.
Unter anderen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), aber auch Grüne, hatten die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen der Fahrzeuge aufgefordert. Die auf dem Dieselgipfel Anfang August vereinbarten Software-Updates reichten nicht aus, um Fahrverbote für Dieselautos in den betroffenen Städten zu vermeiden. Grundlage dafür sind Berechnungen des Umweltbundesamtes, wonach die Nachbesserung und die Umtauschprämien für ältere Diesel nicht ausreichen, um in Städten die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid spürbar zu senken.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte Hendricks Forderung nach technischen Nachrüstungen. Zunächst müsse man abwarten, was die beschlossenen Maßnahmen bringen würden. Hendricks sagte den Blättern der Funke-Mediengruppe: „Dass die beim Dieselgipfel vereinbarten Maßnahmen noch nicht reichen und wir über weitere sprechen müssen, kann auch Herrn Seehofer nicht überraschen.“