Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Vater zu entlassen? Keine gute Idee“
Ex-Bundesligaspieler David Jarolim über den Zustand der tschechischen Nationalmannschaft
RAVENSBURG - 17 Jahre lebte David Jarolim in Deutschland. Vor allem die Fans des Hamburger SV, wo er von 2003 bis 2012 spielte, dürften den defensiven Mittelfeldspieler mit dem Kämpferherzen noch in bester Erinnerung haben. Vor dem WMQualifikationsspiel der DFB-Elf in Prag gegen Tschechien am Freitag (20.45/RTL) hat sich Patrick Strasser mit dem früheren tschechischen Nationalspieler unterhalten. Auch über David Jarolims Vater Karel, der die Tschechen trainiert.
Herr Jarolim, sind die Chancen für Ihren Vater Karel, mit der tschechischen Nationalmannschaft die DFB-Auswahl am Freitag in der WM-Qualifikation zu besiegen, nicht ziemlich gut? Wir sind am Anfang der Saison, viele Spieler haben noch keinen Rhythmus, das ATeam von Bundestrainer Joachim Löw war letztmals Ende März zusammen.
Na ja, ich weiß nicht. Gegenfrage: Gibt es überhaupt einen guten Zeitpunkt, gegen Deutschland zu spielen? Gegen den Weltmeister? Es könnte vielleicht ein kleiner Vorteil sein, womöglich ist der Fokus noch nicht so groß. Wir müssen als Einheit, als echte Mannschaft auftreten. Der Druck liegt eigentlich nicht bei uns. Obwohl – doch. Ein bisschen schon.
Wieso?
Um im Duell mit Nordirland überhaupt noch eine Chance auf Platz zwei und damit Play-off-Spiele zu haben, müssten wir am Freitag schon gewinnen. Es ist die entscheidende Phase. Verlieren wir, ist es vorbei mit dem Traum von der WM in Russland.
Warum hängt der tschechische Fußball momentan so durch?
Wir haben vergangenen Sommer von null angefangen, viele Spieler haben ihre Karriere beendet, darunter Leitfiguren wie Torwart Petr Cech oder Jaroslav Plasil. Momentan sind nicht mehr viele Spieler im Kader, die eine entscheidende Rolle in internationalen Topclubs spielen. Als ich Nationalspieler war, vor allem Mitte der 2000er Jahre, hatte ich es schwer, überhaupt mal 20 Minuten spielen zu können – und das obwohl ich als Bundesligaprofi zu unserer Mannschaft kam. Damals waren Größen dabei wie Nedved, Poborsky und Koller. Solche Persönlichkeiten fehlen uns jetzt. In unserer U21 und den Jugendnationalmannschaften haben wir einige Talente. Aber das wird dauern, zwei, drei Jahre höchstens noch. Hoffe ich.
Ihr Vater hat im August 2016 die Nationalelf übernommen – und damit Sie verlassen. Vor knapp einem Jahr arbeiteten sie noch als Trainergespann beim tschechischen Erstligaverein FK Mlada Boleslav. Ihr Vater als Chef, Sie als Assistent.
Es musste alles ganz schnell gehen. Vater wollte mich mitnehmen als CoTrainer, doch das ging nicht. Ich habe ihm abgesagt, wollte beim Verein bleiben, um unsere Arbeit dort fortzuführen.
Welche sind die Stärken Ihres Vaters als Trainer?
Er schaut nicht auf die Namen, nur auf die aktuelle Form. Er hat keine Angst, bestimmte Spieler einzuladen – egal aus welcher Liga sie kommen. Er will immer mutig und offensiv spielen lassen.
FK Mlada Boleslav war auch Ihre letzte Karrierestation als Aktiver. Ihr Trainer damals für ein halbes Jahr: Papa Karel.
Es hat gepasst, wir haben super zusammengearbeitet. Ich war Kapitän, wurde wegen meiner Erfahrung von den Mitspielern respektiert, er konnte sich auf mich verlassen. Wir sind von Platz fünf im Winter 2013/14 noch auf Rang drei geklettert. Vater gilt als harter Hund, der viel Wert auf Disziplin legt. So lässt er auch trainieren. Für mich war das nichts Neues, ich war das aus der Bundesliga gewohnt. In Tschechien haben so manche damit ihre Probleme.
Es kommt noch besser: Weil sie wegen anhaltender Kniebeschwerden Ihre Karriere im Sommer 2014 beenden mussten, wurden sie in Mlada Boleslav Sportdirektor, also Vorgesetzter Ihres Papas.
Ja, ich war der Chef. Viele haben sich gefragt, wie das funktionieren soll. Aber in einem guten Vater-SohnVerhältnis kann man sich vielleicht noch ehrlicher die Meinung sagen. Es hat Spaß gemacht, wir haben uns für die Europa League qualifiziert.
Wäre der Erfolg ausgeblieben, hätten Sie Papa entlassen müssen.
Das wäre keine gute Idee gewesen. Ich habe dem Präsidenten gesagt: ,Wenn es schlecht läuft, gehe ich auch’. Vater und ich hatten ja die Personalpolitik gemeinsam zu verantworten. Auch heute noch diskutieren wir viel miteinander. Ich mache nun meinen Fußballlehrer. Damit ich dann auch als Cheftrainer arbeiten kann. Mein Traum wäre es, irgendwann in die Bundesliga zurückzukehren, vielleicht kann ich ja mal ein Praktikum machen bei meinen ExClubs.
Wissen Sie, dass Sie der einzige Tscheche sind, der jemals in einem Bundesligaspiel das Bayern-Trikot getragen hat?
Na klar! Leider waren es nur zehn Minuten (am 13. April 1999 beim 2:1 in Kaiserslautern, die Red.). Die gesamte Zeit in München war eine gute Schule für mich, ich habe viel gelernt. Damals kam ich als 16-Jähriger aus Prag ins Internat der Bayern, ein Riesenschritt. Als Fußballer bin ich bei Bayern groß geworden. Am meisten Kontakt habe ich aber noch nach Hamburg, schließlich war ich neun Jahre beim HSV.