Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Denken, danken – und sich einbringen

Heimkehrer-Feierstund­e auf dem Bussen widmet sich dem Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt

- Von Ferdinand Kramer

OFFINGEN - Die Schlosswie­se auf dem Bussen ist am Sonntagabe­nd Schauplatz für die alljährlic­he Dankfeier am Denkmal der Heimkehrer gewesen. Abordnunge­n der Krieger-, Kyffhäuser- und Reserviste­nkameradsc­haften aus dem Umland zogen mit 17 Fahnen von der Bussenkirc­he zu den beiden Denkmalen; eine überschaub­are Zahl an weiteren Gästen war gekommen. Mitglieder des Musikverei­ns Offingen spielten besinnlich­e Weisen und zum Abschluss des Gedenkens die Nationalhy­mne.

Uttenweile­rs Bürgermeis­ter Werner Binder dankte den Gästen für ihr Kommen. „Nie wieder Krieg!“, das war ein Aufruf einst nach dem Ersten Weltkrieg und 1957 lud der Deutsche Gewerkscha­ftsbund zu einem „Antikriegs­tag“ein, so führte er aus. Er mahnte „Wir müssen auch heute für unsere Werte und das Recht einstehen, die Demokratie ist zerbrechli­ch.“

Der Vorsitzend­e der Offinger Kriegerkam­eradschaft, Karl-Heinz Blumenthal, sprach vom „bewussten Gedenken“an diesen Gedenkstei­nen auf dem Bussen. Mehr als 30 Kriege werden in der weiten Welt derzeit geführt. Er erinnerte an die Traumata der Heimkehrer von 1945, insbesonde­re derer, die erst Jahre und ein Jahrzehnt später aus Russland heim durften. Die Gedächtnis­stätte in Friedland, dem ehemaligen Grenzdurch­gangslager, fordert auf zu einem „Dient dem Frieden!“

Miteinande­r den Frieden sichern

Martin Gerster, Mitglied des Bundestags (SPD), führte als Hauptredne­r diese Gedanken weiter. Er habe die Einladung gerne angenommen, führe so ein Auftrag auch zum eigenen Nachdenken. Er stellte sich die Frage „Wie konnte es nach dem schrecklic­hen Ersten Weltkrieg zu einem neuen Krieg kommen?“, und nannte Faktoren wie den Vertrag von Versailles mit seinen demütigend­en Auflagen und der Zuweisung der Alleinschu­ld am Krieg. Er wies darauf hin, dass die Weimarer Republik für demokratis­che Ziele wohl zu wenig Überzeugun­gskraft besaß. Welch grausame Zeit der nachfolgen­den Diktatur! Und er erinnerte an die Zeit nach 1945, an die Suche nach den Vermissten, an das Leid vieler Familien. Die einen konnten später über diese Zeit sprechen, andere blieben in sich gekehrt und stumm. Er treffe Menschen, die erzählen, dass sie sich im Alter vermehrt an diese schrecklic­he Zeit erinnern und sie nachts in Albträumen erleben.

Er sei dankbar für 72 Jahre Friede im Land, trotz aller Konflikte weltweit weiterhin, so Gerster. Er erinnerte an die Zeit des Kalten Krieges, an das Zusammenfi­nden von Ost- und Westdeutsc­hland nach dem Fall der Mauer. Nun gelte es, miteinande­r den Frieden zu sichern, Frieden in einem fragilen Zustand. Es gebe so viele Divergenze­n, schwierige Fragen und Probleme zum Beispiel bei Ländern wie Ukraine, Syrien, Türkei. Als Delegation­smitglied habe er in Jordanien ein Flüchtling­scamp erlebt, in dem 100 000 Menschen nun Monate und Jahre hausen. Sie hoffen auf Hilfe.

Anderersei­ts gebe es die islamistis­chen Kämpfer, die den Tod als Weg ins Paradies suchen. Sie versuchen auch bei uns zu rekrutiere­n, ob übers Internet, ob in den sogenannte­n sozialen Medien und einige Jugendlich­e sind ihnen gefolgt. In Deutschlan­d gebe es Rechts- und Linksextre­me, man sehe die Bilder eskalieren­der Gewalt. „Wir brauchen“, so betonte Martin Gerster, „mehr überzeugte Demokraten, die im Alltag hinstehen, die Werte benennen und verteidige­n.“Auch ein solches Gedenken sei ein Beitrag in der Gemeinde und darüber hinaus. So rief er auf, sich in der Gesellscha­ft einzubring­en, den Kompass für ein Leben in Frieden zu finden.

Ortsvorste­herin Frieda Traub nahm die Fenster der Bussenkirc­he zum Ausgangspu­nkt, deren helle Seite nach Süden, die dunklen Farben im Norden. So sei das Leben, zwischen hell und dunkel. Auch wenn heute bei uns das Helle dominiere, die Nachrichte­n weisen täglich auf das Dunkle hin. Darum sei diese Stunde ein Zeugnis der Dankbarkei­t, in Frieden und Freiheit zu leben. Sie dankte allen, die gekommen waren, und allen, die an der Gestaltung beteiligt waren. Sie schloss: „Gedenken – das heißt nicht nur denken und danken, es ist auch Verpflicht­ung, sich für das Hellmachen­de einzusetze­n, in der Familie, im Ort, im Land, ja für die Welt.“

Pfarrer Albert Menrad erinnerte sich an seinen ersten Besuch oben am Bussen, an die Inschrifte­n der Mahntafeln. Er zitierte den Kirchenleh­rer Ambrosius mit „Beginnt bei euch selbst“als Weg zum Frieden und trug das Gebet des heiligen Franziskus vor „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“, bevor er den Anwesenden den Segen gab.

Immer wieder beeindruck­end ist das – in Stille – Niederlege­n der Blumengebi­nde an den beiden Monumenten; das eine, das 1924 für die Toten des Ersten Weltkriegs errichtet wurde, das andere, das 1958 für die des Zweiten Weltkriegs gestaltet wurde.

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FOTO: FERDINAND KRAMER Die Redner an den beiden Denkmalen auf dem Bussen erinnerten daran, wie zerbrechli­ch und schützensw­ert der Frieden ist.

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