Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Denken, danken – und sich einbringen
Heimkehrer-Feierstunde auf dem Bussen widmet sich dem Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
OFFINGEN - Die Schlosswiese auf dem Bussen ist am Sonntagabend Schauplatz für die alljährliche Dankfeier am Denkmal der Heimkehrer gewesen. Abordnungen der Krieger-, Kyffhäuser- und Reservistenkameradschaften aus dem Umland zogen mit 17 Fahnen von der Bussenkirche zu den beiden Denkmalen; eine überschaubare Zahl an weiteren Gästen war gekommen. Mitglieder des Musikvereins Offingen spielten besinnliche Weisen und zum Abschluss des Gedenkens die Nationalhymne.
Uttenweilers Bürgermeister Werner Binder dankte den Gästen für ihr Kommen. „Nie wieder Krieg!“, das war ein Aufruf einst nach dem Ersten Weltkrieg und 1957 lud der Deutsche Gewerkschaftsbund zu einem „Antikriegstag“ein, so führte er aus. Er mahnte „Wir müssen auch heute für unsere Werte und das Recht einstehen, die Demokratie ist zerbrechlich.“
Der Vorsitzende der Offinger Kriegerkameradschaft, Karl-Heinz Blumenthal, sprach vom „bewussten Gedenken“an diesen Gedenksteinen auf dem Bussen. Mehr als 30 Kriege werden in der weiten Welt derzeit geführt. Er erinnerte an die Traumata der Heimkehrer von 1945, insbesondere derer, die erst Jahre und ein Jahrzehnt später aus Russland heim durften. Die Gedächtnisstätte in Friedland, dem ehemaligen Grenzdurchgangslager, fordert auf zu einem „Dient dem Frieden!“
Miteinander den Frieden sichern
Martin Gerster, Mitglied des Bundestags (SPD), führte als Hauptredner diese Gedanken weiter. Er habe die Einladung gerne angenommen, führe so ein Auftrag auch zum eigenen Nachdenken. Er stellte sich die Frage „Wie konnte es nach dem schrecklichen Ersten Weltkrieg zu einem neuen Krieg kommen?“, und nannte Faktoren wie den Vertrag von Versailles mit seinen demütigenden Auflagen und der Zuweisung der Alleinschuld am Krieg. Er wies darauf hin, dass die Weimarer Republik für demokratische Ziele wohl zu wenig Überzeugungskraft besaß. Welch grausame Zeit der nachfolgenden Diktatur! Und er erinnerte an die Zeit nach 1945, an die Suche nach den Vermissten, an das Leid vieler Familien. Die einen konnten später über diese Zeit sprechen, andere blieben in sich gekehrt und stumm. Er treffe Menschen, die erzählen, dass sie sich im Alter vermehrt an diese schreckliche Zeit erinnern und sie nachts in Albträumen erleben.
Er sei dankbar für 72 Jahre Friede im Land, trotz aller Konflikte weltweit weiterhin, so Gerster. Er erinnerte an die Zeit des Kalten Krieges, an das Zusammenfinden von Ost- und Westdeutschland nach dem Fall der Mauer. Nun gelte es, miteinander den Frieden zu sichern, Frieden in einem fragilen Zustand. Es gebe so viele Divergenzen, schwierige Fragen und Probleme zum Beispiel bei Ländern wie Ukraine, Syrien, Türkei. Als Delegationsmitglied habe er in Jordanien ein Flüchtlingscamp erlebt, in dem 100 000 Menschen nun Monate und Jahre hausen. Sie hoffen auf Hilfe.
Andererseits gebe es die islamistischen Kämpfer, die den Tod als Weg ins Paradies suchen. Sie versuchen auch bei uns zu rekrutieren, ob übers Internet, ob in den sogenannten sozialen Medien und einige Jugendliche sind ihnen gefolgt. In Deutschland gebe es Rechts- und Linksextreme, man sehe die Bilder eskalierender Gewalt. „Wir brauchen“, so betonte Martin Gerster, „mehr überzeugte Demokraten, die im Alltag hinstehen, die Werte benennen und verteidigen.“Auch ein solches Gedenken sei ein Beitrag in der Gemeinde und darüber hinaus. So rief er auf, sich in der Gesellschaft einzubringen, den Kompass für ein Leben in Frieden zu finden.
Ortsvorsteherin Frieda Traub nahm die Fenster der Bussenkirche zum Ausgangspunkt, deren helle Seite nach Süden, die dunklen Farben im Norden. So sei das Leben, zwischen hell und dunkel. Auch wenn heute bei uns das Helle dominiere, die Nachrichten weisen täglich auf das Dunkle hin. Darum sei diese Stunde ein Zeugnis der Dankbarkeit, in Frieden und Freiheit zu leben. Sie dankte allen, die gekommen waren, und allen, die an der Gestaltung beteiligt waren. Sie schloss: „Gedenken – das heißt nicht nur denken und danken, es ist auch Verpflichtung, sich für das Hellmachende einzusetzen, in der Familie, im Ort, im Land, ja für die Welt.“
Pfarrer Albert Menrad erinnerte sich an seinen ersten Besuch oben am Bussen, an die Inschriften der Mahntafeln. Er zitierte den Kirchenlehrer Ambrosius mit „Beginnt bei euch selbst“als Weg zum Frieden und trug das Gebet des heiligen Franziskus vor „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“, bevor er den Anwesenden den Segen gab.
Immer wieder beeindruckend ist das – in Stille – Niederlegen der Blumengebinde an den beiden Monumenten; das eine, das 1924 für die Toten des Ersten Weltkriegs errichtet wurde, das andere, das 1958 für die des Zweiten Weltkriegs gestaltet wurde.