Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Verliererin
Was passiert ist in der Nacht auf den 9. November 2016, ist oft erzählt worden. Je später es wurde, umso mehr schwanden Hillary Clintons Chancen auf den sicher geglaubten Wahlsieg. Was hinter den Kulissen geschah, hat Clinton jetzt erstmals detailgenau geschildert.
Hundemüde sei sie eingeschlafen, schreibt sie in „What Happened“, dem Buch über die Wahl. Als sie aufwachte, hatte sich die Stimmung verdüstert. „Leute wurden ausgesandt, um Whiskey zu holen“. Nachts nach halb zwei, als die Nachrichtenagentur AP Trump zum Sieger des Rennens in Pennsylvania erklärte, griff sie zum Handy, um ihrem Rivalen zu gratulieren: „Es war alles so seltsam normal, als würde man einen Nachbarn anrufen, um ihm zu sagen, dass man leider nicht zur Grillparty kommen kann“.
Seit Dienstag ist das Buch auf dem Markt, bereits am Sonntag hatte Hillary Clinton im CBS zusammengefasst, womit sich ihr Memoirenband auf 494 Seiten beschäftigt. Die Gründe für Trumps Coup? Der Mann habe es verstanden, nostalgische Gefühle zu bedienen. Er habe „Menschen, die beunruhigt waren wegen der Fortschritte, die andere machten“, Hoffnung gegeben und Trost gespendet.
Trump, skizziert sie in ihrem Buch, habe sich in den Medien ausgetobt, während sie an Programmen bastelte. „Manchmal frage ich mich: Wenn man zusammenrechnet, was er auf Golfplätzen, bei Twitter und vorm Fernseher an Zeit verbringt, was bleibt dann noch übrig?“Ihr dagegen, streut sie sich Asche aufs Haupt, sei es nicht gelungen, die Verunsicherten emotional anzusprechen.
Die Analyse ist scharf, gleichwohl scheiden sich die Geister daran, was die Ex-Kandidatin mit ihrer Rückblende erreichen möchte. Es gibt linke Parteifreunde, die der 69-Jährigen übel nehmen, dass sie sich mit einem Werbefeldzug zurückmeldet auf der politischen Bühne, statt sich ins Private zurückzuziehen. Clintons Buch, poltert der Kongressabgeordnete Jared Huffman, erscheine zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In einer Zeit, da die Partei versuche, sich zusammenzuraufen und den Blick nach vorn zu richten. Frank Herrmann