Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bach wird die Korruptionsaffäre nicht los
Vor der Olympia-Doppelvergabe wird das IOC von den Skandalen um Rio-Macher Nuzman eingeholt
LIMA (dpa) - Thomas Bach will eigentlich über die Zukunft sprechen. Über die erstmalige Doppelvergabe der Olympischen Spiele am Mittwoch an Paris 2024 und an Los Angeles 2028. Doch fast 45 Minuten lang muss der IOC-Präsident an diesem Dienstag Fragen zu einem neuen Skandal der Vergangenheit beantworten: Wurden die Spiele 2016 in Rio gekauft?
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees gibt auf dem Podium in der peruanischen Hauptstadt Lima, wo die Vergabe gefeiert werden soll, den Kämpfer gegen Korruption. „Wenn Beweise vorgelegt werden, werden wir handeln“, sagt er, versucht aber im gleichen Atemzug vorzubauen. „Keine Organisation in der Welt ist immun.“
Gerade mal etwas mehr als ein Jahr ist es her, da schaute ein Milliardenpublikum auf Carlos Arthur Nuzman. „Der beste Platz ist jetzt hier“, rief der brasilianische Chef des Organisationskomitees bei der Eröffnung der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro – Bach stand strahlend daneben. Dieser Nuzman musste nun seinen Reisepass abgeben, sein Haus wurde durchsucht, seine Konten gesperrt. Und er ist es, der Bach seine so sorgfältig vorbereitete Doppelvergabe bei der IOC-Session, der Vollversammlung der Mitglieder, in Lima zu verhageln droht. Es geht mittlerweile um die Frage, ob auch bei der Vergabe an Tokio 2020 geschmiert worden ist.
In Lima wird schließlich eine Erklärung der Exekutive herausgegeben. Ohne Nuzman, das IOC-Ehrenmitglied, zu erwähnen, heißt es: Man will Auskunft von der brasilianischen Justiz. Bach betont, eigene Anwälte hätten sich mit den Behörden in Verbindung gesetzt.
Nach Angaben der brasilianischen Zentralbank wurden umgerechnet 37 700 Euro auf fünf Konten Nuzmans gefunden – erstaunlich wenig, es wird über üppige Auslandskonten spekuliert. Zudem wurden angeblich gut 90 000 Euro in bar bei der Großrazzia im Anwesen des langjährigen NOKChefs gefunden.
Im Rahmen der Operation „Jogo Sujo“, „Schmutziges Spiel“, die von Erkenntnissen französischer Ermittler angestoßen wurde, gibt es Hinweise, dass kurz vor der Vergabe im Oktober 2009 die Stimme des langjährigen Chefs des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF und Ex-IOC-Mitglieds Lamine Diack aus dem Senegal gekauft worden ist. Rio setzte sich gegen Madrid, Tokio und Chicago durch.
Drei Tage vor der Abstimmung sollen dem Sohn Diacks zwei Millionen Dollar überwiesen worden sein. Nuzman soll die „Brücke“gewesen sein – und das Geld über den Unternehmer Arthur César de Menezes Soares geflossen sein. Nuzman bestreitet das.
Französische Ermittler versuchen seit Monaten, auch dubiose Geldflüsse vor der Olympia-Vorgabe an Tokio zuzuordnen. Auch hier steht Diack im Fokus. Die Ermittlungen könnten sich für das IOC zum Skandal auswachsen, zudem waren die Spiele in Brasilien keine Werbung. Rio 2016 steht für so ziemlich alles, was schiefgehen kann: Eine Stadt, überfordert mit den Spielen, die ein Jahr später in einer tiefen Krise ist. Die Mordrate ist um zehn Prozent gestiegen, rund 100 Polizisten wurden 2017 bereits getötet. Die Regierung hat 8500 Soldaten in die Stadt geschickt. Sportstätten gammeln vor sich hin, inklusive des berühmten Maracanã-Stadions. Und das IOC weigert sich, eine Schuldenlast des Rio-Organisationskomitees von 40 Millionen Dollar zu begleichen.
In Brasilien überraschte es kaum, dass Nuzman ins Visier der Ermittler rückte. Bis hin zu Präsident Michel Temer und den Ex-Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff erschüttern Korruptionsermittlungen das Land – im Fokus steht unter anderem der Baukonzern Odebrecht, der auch viele Olympiaprojekte realisiert hat.
Mit der Doppelvergabe an Paris und Los Angeles macht das IOC aus der Not eine Tugend. Nur noch zwei Kandidaten waren für die Sommerspiele 2024 übrig geblieben. Da es sich um zwei wichtige Städte handelte, sollte kein Bewerber verprellt werden. Paris erhielt den Zuschlag für 2024, auch weil es nach 100 Jahren die Olympia-Rückkehr an die Seine feiern kann, L.A. ist vier Jahre später am Zug. Die kalifornische Metropole erhielt ein Trostpflaster des IOC, das bis zu zwei Milliarden Euro betragen kann.
Thomas Bach über die Winterspiele 2018 in Pyeongchang: „Es gibt noch nicht einmal einen Hinweis darauf, dass es eine Bedrohung für die Sicherheit der Spiele im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen Nordkorea und einigen anderen Ländern gibt.“