Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die „Weiße Südafrikanerin“
Schwester Electra Wild von den Sießener Franziskanerinnen kämpft gegen Aids
FRIEDRICHSHAFEN/SIESSEN - Für ein paar Tage lang hat Schwester Electa Wild kürzlich Südafrika gegen Schwaben getauscht. Sie gehört den Sießener Franziskanerinnen an, die hinter der Schule St. Elisabeth stehen, und hat in Friedrichshafen einen Spendenscheck der Afrikatage für das Lesedi Centre of Hope bei Bloemfontein in Empfang genommen. Die SZ hat die Gelegenheit genutzt, um mehr über ihr Leben in Afrika zu erfahren.
Schwester Electa ist braun gebrannt und spricht ruhig und bedacht. Während des Gesprächs muss sie ab und zu nach dem richtigen deutschen Wort suchen, wechselt auch mal kurz ins Englische. „Wir sprechen im Orden Englisch miteinander, auch die Schwestern aus Deutschland“, erklärt sie, und dass sie Gottesdienste in der Lokalsprache Sesothu abhalten würden. Studiert hat die 78-Jährige auf Afrikaans an der Universität Bloemfontein, ihr Fach war Lehramt, auch diese auf dem Holländischen basierende Sprache beherrscht sie daher flüssig.
Die lokal üblichen Sprachen zu lernen, das sei ihr wichtig gewesen, sagt Schwester Electa. „Das zeigt den Menschen dort, dass man Respekt vor ihnen und ihrer Kultur hat.“Auch sonst habe sie sich viel mit der Kultur und den Traditionen vor Ort befasst. „Vor 50 Jahren dachten wir noch, wir kennen die Wahrheit und müssen sie den Leuten bringen, aber das stimmt nicht. Viele der alten Traditionen haben ihr Gutes.“Sie betont etwa das große Wissen über Naturheilkunde, das vorherrsche und bei vielen Krankheiten eine gute Alternative zur Schulmedizin darstelle.
Als gutes Beispiel voran gehen
Dann sei da der Glauben an die Ahnen. „Wenn jemand daran glaubt, dass seine Ahnen das Leben der Familie mit prägen, das ist doch etwas sehr Schönes. Da kann man nicht sagen: ,Das ist Blödsinn’, bloß weil wir einen anderen Glauben haben.“Generell sei es ihr wichtig, als gutes Beispiel voran zu gehen. „Unser Bischof damals hat immer gesagt, wenn wir in der Kirche etwas nicht machen oder schaffen, dann können wir es von der Gesellschaft erst recht nicht erwarten.“Zur vollständigen Integration habe neben der Sprache noch etwas gehört: die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie nun – mit Unterbrechung – seit 56 Jahren lebe.
Die Frage, ob sie das zu einer weißen Afrikanerin mache, bejaht sie und ergänzt: „Zur weißen Südafrikanerin. Das ist schon ein Unterschied.“Überhaupt zeigt sich im Gespräch das Spannungsfeld zwischen Vision der Gesellschaft und Realität. Auf dem Papier gebe es vieles nicht mehr, praktisch fehle noch einiges, um die Folgen der Apartheid zu verarbeiten. „Versöhnung gelingt nicht über Nacht“, sagt sie und spricht davon, wie viele Verletzungen die Weißen den Schwarzen zugefügt hätten.
Schwester Electa selbst legt Wert auf gegenseitigen Respekt – ganz gleich, welche Hautfarbe ihr Gegenüber hat. Selbstverständlich spricht sie von „wir“und meint damit ebenso sich selbst, ihre Mitschwestern sowie die einheimische Bevölkerung.
Aktuell seien sie 55 afrikanische und vier deutschstämmige Schwestern. Ihre Arbeit in der Mission ist geprägt von ihrem Verständnis von Gerechtigkeit: „Ich habe als Lehrerin immer versucht, meine Schüler bewusst so auszubilden, dass sie nicht als Hilfskräfte von Weißen enden. Viele sind mir nun bildungstechnisch über den Kopf gewachsen, arbeiten in der Politik und auf Führungsebene, und das freut mich.“
Viel Aufklärungsarbeit
Seit 2003 widmet sie sich der Betreuung und Pflege schwer an Aids erkrankter Menschen. „Wir nennen das Centre nicht Hospiz“, verrät sie. Dabei komme es nicht selten vor, dass das örtliche Krankenhaus jemanden zu ihnen bringe, der dort nicht mehr betreut werden könne.
Zum Kampf gegen das Aids-Virus HIV gehöre vor allem auch viel Aufklärungsarbeit. „Es gibt Mädchen, die suchen sich bereits mit elf oder zwölf Jahren einen Sugar Daddy“, schildert sie. Da helfe es nur, Mädchen aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sie eine gute Ausbildung erhielten. Einfach sei das nicht: „Es herrscht mancherorts einfach zu große Armut, und die Jobs werden durch die Industrialisierung immer knapper.“