Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eingeschleppt durch Gartenabfälle und Maschinen
Fremde Pflanzen bedrohen die Artenvielfalt im Federsee-Moor
BAD BUCHAU (sz) - Über Gartenabfälle, Forstmaschinen und über den Wind gelangen sie ins Moor: Neophyten. Das sind fremde Gewächse, die die einheimische Artenvielfalt bedrohen. Vermeintlich harmlose Gartenpflanzen sind für das Europäische Schutzgebiet eine akute Gefahr, warnt der Leiter des Nabu-Naturschutzzentrums Federsee, Jost Einstein.
„Gartenabfälle im Ried oder im Wald zu entsorgen, ist nicht nur illegal – es ist ein Angriff auf das Ökosystem Moor. Im Grüngut befinden sich oft die Samen von gefährlichen fremdländischen Pflanzen“, schildert Einstein die prekäre Situation. Er appelliert mit Beginn der herbstlichen Aufräumarbeiten an die Gartenbesitzer, ihr Grüngut ordnungsgemäß zu entsorgen und nicht in der Natur abzulagern.
Arten wie das Indische Springkraut oder die Kanadische Goldrute sind eine existentielle Gefahr für die Natur im Federseeried. Als aparte Farbtupfer werden die sattgelben Rispen der Kanadischen Goldrute, das rosa blühende Indische Springkraut oder die violettblütige Filzige Spiräe von Gärtnern geschätzt. Doch harmlos seien die Schönlinge nicht, weiß der Experte: „Das im 19. Jahrhundert aus dem Himalaya eingeführte Indische Springkraut wird bis zu zwei Meter hoch, überwuchert andere Pflanzen und bringt diese zum Absterben.“ Ins Moor eingeschleppte Samen keimen, blühen, samen im nächsten Jahr ihrerseits aus und sorgen so für eine schnelle Ausbreitung. Jede einzelne Springkraut-Pflanze produziert bis zu 4000 Samen, die bei der leichtesten Erschütterung meterweit geschleudert werden. „So wird aus einer Einzelpflanze in wenigen Jahren ein kaum mehr in Griff zu bekommender Herd“, hat Einstein beobachtet. Damit sei die gesamte Artenvielfalt in Gefahr.
Bekämpfung ist sehr aufwendig
„Den Nabu kostet die Ausrottung solcher Neophyten jedes Jahr mehrere hundert Arbeitsstunden“, berichtet der Naturschützer. Auch in diesem Jahr läuft seit Ende Juli die Neophytenbekämpfung auf Hochtouren. Besonders problematisch sei laut Einstein, dass man die Ansiedlung dieser Eindringlinge in unwegsamen Gebieten, wie in Moorwäldern oder im Röhricht, oft nur zufällig entdecke. In hoher Vegetation bleiben die Pflanzen oft über Jahre praktisch unsichtbar. Fatalerweise werden die Samen auch über forstliche Maschinen oder mit der Rinde gefällter Bäume an neue Standorte verschleppt. Nur durch konsequentes Ausreißen oder Abmähen mit Motorsensen lassen sich die Bestände im Keim ersticken. Bei kleinen, rechtzeitig entdeckten Goldruten-Beständen kann auch die Abdeckung mit schwarzer Folie helfen – wie entlang dem Federseesteg praktiziert, wo die FolienStandorte mit Stangen markiert sind. Gesäuberte Standorte werden per GPS erfasst und laufend nachkontrolliert. „Gelingt es uns nicht, die Ausbreitung der Exoten zu verhindern, wäre das eine Katastrophe für das Federseeried“, sagt Jost Einstein. Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Naturschutzgebieten. Er befürchtet eine gravierende Artenverarmung und Entwertung dieses einzigartigen Moores, auch mit Auswirkungen auf den Tourismus. Dazu fordert er, das Verbot der Ablagerung von Gartenabfällen, Erdmaterial und Schutt im Ried konsequent zu respektieren.