Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Neue Fahndung nach Ex-RAF-Mitgliedern
Ehemaligen Terroristen wird Serie von Raubüberfällen angelastet
HANNOVER (dpa) - Mit einer Serie von Raubüberfällen brachten drei seit Jahrzehnten untergetauchte ehemalige RAF-Terroristen die Polizei im Jahr 2015 wieder auf ihre Spur. Wie die Fahnder nun vermuten, könnte das Trio sich möglicherweise im Mittelmeerraum aufhalten und jeweils zu den Raubüberfällen ins vertraute Norddeutschland angereist sein.
Es sei nicht auszuschließen, so die Ermittler, dass die ehemaligen RAFMitglieder Ernst-Volker Staub (63 Jahre), Burkhard Garweg (49) und Daniela Klette (59) in Italien, Frankreich oder Spanien Unterschlupf gefunden haben, teilte das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) am Montag mit.
Möglicherweise können die drei ehemaligen Linksterroristen auf alte Netzwerke Gleichgesinnter wie die baskische Eta oder die Roten Brigaden in Italien zurückgreifen. Staub wurde angeblich auch auf einem Campingplatz in Norditalien gesehen, eindeutig identifiziert wurde er nach Angaben der Fahnder allerdings nicht. Außerdem könnten die drei sich nach LKA-Angaben in den Niederlanden aufhalten, wo bereits umfangreicher nach dem Trio gefahndet wurde. Ein bei der Fahrt über die Grenze nach Holland ausgeschaltetes Handy sowie der Schnipsel einer holländischen Zeitung in einem Tatwagen waren unter anderem der Grund für die Annahme.
Neue Tatvideos
Mit bislang unveröffentlichten Tatvideos startete das LKA am Montag einen neuen Fahndungsaufruf nach dem Trio, das es für mindestens neun Raubüberfälle in Norddeutschland verantwortlich hält. Eine Videosequenz zeigt Staub und Garweg bei einem Überfall in Hildesheim, auf einer zweiten sind die beiden in einem Bus in Osnabrück zu sehen, als sie auf dem Weg zum Kauf eines Gebrauchtwagens sind, den sie für einen der Überfälle benötigen. Zuletzt schlugen die drei im Juni 2016 in Cremlingen bei Braunschweig zu. Mit Panzerfaust und Automatikgewehr überfielen dort zwei Männer und eine Frau einen Geldtransporter und ein Geschäft.
Für einen Aufenthalt der Gesuchten im Ausland spricht nach Einschätzung der Fahnder die Tatsache, dass es trotz intensiver Fahndung bislang keinen entscheidenden Hinweis in Deutschland gegeben hat. Dennoch könnten die drei sich – möglicherweise ebenfalls mithilfe von einigen Unterstützern – auch hier aufhalten. Die Gebiete um Bielefeld, Porta Westfalica und Osnabrück sind für die Fahnder des LKA wegen Gebrauchtwagenkäufen durch das Trio dort von besonderem Interesse. Hier dürften die drei nach Angaben des LKA besonders häufig gewesen sein.
Dritte Generation
Garweg, Klette und Staub gehören zur sogenannten dritten Generation der RAF. Sie wurde aktiv, als zentrale Figuren wie Andreas Baader und Ulrike Meinhof längst tot waren. Auf ihr Konto sollen mehrere Morde gehen, so an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen im Jahr 1989 und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991). Mit Terror haben die jüngsten kriminellen Machenschaften des Trios wohl nichts mehr zu tun, eher mit der Altersvorsorge. „Das Leben in der Illegalität ist wesentlich teurer als ein legales Leben“, sagte Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock vor Kurzem dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Beute aus allen Überfällen zusammen soll bei etlichen Hunderttausend Euro liegen.
Mit falschen Pässen ausgestattet gehen die „RAF-Rentner“nach Vermutung
der Fahnder keiner geregelten Arbeit nach, womöglich haben sie Unterstützer. Ihre Lebensgeschichte und ihre Kontakte aber bleiben für die Ermittler trotz aller bisheriger Erkenntnisse nebulös. „Die sind wie vom Erdboden verschluckt, hoch professionell“, meint ein Beamter.
Mit den relativ aktuellen Fahndungsbildern aber bestehe laut LKA die Möglichkeit, dass sie anhand ihrer Gesichter von der Öffentlichkeit erkannt werden können. Wo auch immer sich die Ex-RAF-Mitglieder auch aufhalten.